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"Wir durften die Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren" Exklusivinterview mit H.-J. Watzke - Teil 2

 Anderes Thema. Borussia erhöht erneut die Ticketpreise. Nach dem doch recht kräftigen Schluck aus der Pulle im Vorfeld der Jubiläumssaison 2009/10, geht es diesmal ?nur? um 3% rauf. Gerechtfertigt wird das auch in diesem Jahr mit gestiegenen Betriebs- und Energiekosten, sowie einer Erhöhung der Abgaben für den Verkehrs-Verbund Rhein Ruhr. Meine eigene Dauerkarte hat sich durch diese beiden Schritte um knapp 100 ? erhöht. Muss das denn wirklich sein?

Ja, das muss sein! Es ist ja so, dass man dabei mehrere Dinge berücksichtigen muss. Erstens: Wir haben die sozialste Preisgestaltung überhaupt aufgrund der Tatsache, dass wir ? völlig unüblich ? 28.000 Stehplätze anbieten. Dass heißt, es gibt bei uns so viele günstige Dauerkarten wie nirgendwo anders in der Republik. Dort, wo dann am Ende des Tages jemand wirklich auf 20 Euro schauen muss im Jahr, hat er immer die Möglichkeit, zumindest in dem Bereich Dauerkarten zu erwerben. Irgendwo müssen wir das ja auch gegen finanzieren, wenn wir nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren wollen. Wenn Sie mal gucken, wer über uns in der Tabelle noch steht, die haben alle deutlich höhere Preise. Zweitens: Diese drei prozentige Erhöhung hat ? wie gesagt ? etwas mit dem VRR zu tun, aber natürlich auch mit der allgemeinen Inflationsrate. Das heißt im Klartext: hätten wir nicht erhöht, hätten wir sogar noch eine Wettbewerbsverschlechterung gehabt. Dritter Punkt: Wir haben in dieser Karte kein internationales Freundschaftsspiel inkludiert, was wir natürlich hätten auch machen können, sondern wir haben das erste Euroleaguespiel inkludiert.



Dass heißt: Alle Dauerkarteninhaber haben zum ersten Euroleaguespiel freien Eintritt ? und wenn es gegen den FC Liverpool sein sollte. Und jetzt gucken Sie sich mal die anderen Clubs an, ob das bei einem einzigen der Fall ist. Diese 3%ige Erhöhung bedeutet für uns 400.000 Euro Mehreinnahmen, die wir erzielen. Dadurch, dass wir dann aber 50.000 frei reinlassen zum ersten Europapokalspiel - und da muss keiner ein großer Rechenkünstler sein, wenn wir den Durchschnittspreis von 20 Euro zugrunde legen - sind das 1 Mio. Euro, auf die wir verzichten. Wir hätten es also so machen können, wie das heute in der Politik häufig passiert. Wir hätten eine leichte Mogelpackung schnüren können und gesagt: wir halten die Preise stabil und hätten die Dauerkarteninhaber nicht rein gelassen zu diesem Spiel. Wir hätten dadurch 600.000 Euro mehr verdient. Also ich glaube im Gesamtpaket können die Allermeisten mit dieser Lösung gut leben. Ich kann das daran erkennen, dass mich bisher noch niemand darauf angesprochen hat. Normalerweise krieg ich dann immer sehr viele Mails, aber auch das hielt sich bislang in Grenzen. Offenbar hat die ganz große Mehrheit der Borussen das sogar so gesehen, dass das sogar ein sehr attraktives Angebot ist. Ich bin relativ sicher, dass auch in diesem Jahr die Zahlen davon ziemlich unbeeindruckt bleiben.

Zum Schluss noch ein Blick in die Glaskugel. Ihr Geschäftsführervertrag wurde Anfang des Jahres bis zum 30. Juni 2014 verlängert, Borussia und Werbepartner EVONIK arbeiten bis mindestens 2012/13 zusammen und mit SPORTFIVE hat man die seit 1999 bestehende Vermarktungskooperation schon vor geraumer Zeit bis 2020 verlängert. Lediglich der Vertrag mit Trikotausrüster Kappa gilt als nicht annähernd so gut dotiert wie der mit Nike, läuft aber auch nur bis 2012. Eigentlich glänzende Perspektiven, oder?
Ja! Die Erlösseite ist nicht das Problem. Man darf dabei aber nicht vergessen, wir tragen immer noch kräftig an der Vergangenheit ab. Der SPORTFIVE-Vertrag, der ist ja für uns sehr gut dotiert gewesen, aber im Prinzip fließt das in Form von Provisionen ja auch wieder in die andere Richtung. Wir haben vor einem Jahr den Vertrag verlängert und dafür eine große Summe bekommen, die wir nicht nutzen konnten um sportliche Aktivitäten zu finanzieren, sondern haben damit nur Schulden bezahlt, nichts anderes. 50 Mio. Schulden abzubauen hätten vielleicht viele in unserer Situation nicht gemacht, aber das war zwingend nötig. Und wir müssen noch zwei Raten an die Stadt Dortmund überweisen, eine Steuerschuld aus dem Jahre 2004, wo uns die Stadt entgegen gekommen ist ? allerdings mit üppigen Zinsen ? das dann in fünf gleichen Jahresraten mit einem siebenstelligen Betrag zu zahlen. Das sind alles Dinge, die keiner mehr sieht und wo die meisten Leute glauben, dass das alles schon ewig her ist, aber jedes Jahr werden drei, vier, fünf Millionen noch für die Vergangenheit abgezweigt, die uns dann natürlich an anderer Stelle fehlen, um den Kader noch ein bisschen breiter aufzustellen. Wenn mir 2005 einer gesagt hätte, Borussia Dortmund steht 2010 so wie heute da, hätt? ich sofort unterschrieben. Man darf jetzt trotzdem nicht glauben, dass hier Milch und Honig fließen, das ist definitiv nicht der Fall. Wir haben in fünf Jahren 120 Mio. Euro Schulden abgebaut, das soll uns mal einer nachmachen von den Clubs hier im Ruhrgebiet. Wir müssen aber demütig bleiben und immer versuchen etwas kreativer zu sein, als die anderen. Also, ich hab schon ein gutes Gefühl, aber wir müssen immer aufpassen, dass wir nicht einen zu großen Erwartungshorizont entwickeln.

Die Entwicklung neuer Sponsoringkonzepte, die Vermarktung der Hospitality-Bereiche und der dezentralen TV-Rechte geben ja große Steigerungspotenziale nicht her. Mit einer Markenkapitalisierung von 75 ? 80 Mio. Euro liegt der BVB eher im Mittelfeld der Liga. Wo also kann der BVB noch dringend benötigte Einnahmen für den operativen Bereich generieren?

Im Europapokal, klar! Wir haben jetzt fünf Jahre in diesem Bereich nichts mehr eingenommen, außer einem Spiel gegen Udine. Da ist natürlich was drin. Du kannst im Europapokal, auch in der Euro League - wenn es gut läuft - sicherlich 10 bis 12 Mio. Euro einnehmen. Dann führe ich ja außerhalb meines Kampfes bei Borussia Dortmund immer noch meinen Kampf für eine gerechtere, eine verursachungsgerechtere Verteilung der Fernsehgelder. Das mach ich nicht, weil ich jetzt unbedingt Herrn Hopp permanent angreifen will, sondern weil ich davon überzeugt bin. Wenn das Fernsehgeld verursachungsgerechter verteilt wird, dass heißt, dass die Clubs, die wirklich die Republik bewegen auch entsprechend mehr kriegen, als die, die sie eben nicht bewegen, dann würde für Borussia Dortmund signifikant dabei ein siebenstelliger Betrag mehr raus kommen. Auch da ist aus meiner Sicht eine ganze Menge noch möglich. Und dann das, was wir seit zwei Jahren nicht mehr gemacht haben und wovon sich viele Clubs auch finanzieren, nämlich große Transfererlöse zu erzielen. Das müssen wir auch irgendwann mal wieder ins Auge fassen, aber nicht, wenn eine Mannschaft sich gerade entwickelt. Das heißt, du musst heute schon wissen, wie 2011 und 2012 deine Personalplanung aussieht. Dann muss man auch mal wieder einen Transfer von 20, 25 oder 30 Mio. machen, wenn die Möglichkeit besteht. Das ist ein klassisches Einnahmefeld, was wir jetzt ein paar Jahre nicht genutzt haben. Wenn ich bedenke, der letzte größere Transfer war Mladen Petric mit 7,3 Mio. und dafür haben wir dann Lucas Barrios für 4,2 Mio. gekauft? Am Ende des Tages glaub ich, war das auch der richtige Weg.

Das kann sich ja während der Weltmeisterschaft noch anbahnen?

Ist aber nicht gewollt. Passieren kann alles, ja. Aber wenn man dann eine exorbitante Offerte kriegt, dann hat man ja auch eine Verpflichtung gegenüber dem Konstukt Borussia Dortmund, dass heißt, man müsste da sehr seriös drüber nachdenken. Das ist eigentlich nicht das, wo wir jetzt drauf warten. Wir brauchen das zur Finanzierung der nächsten Saison definitiv nicht und mir persönlich wäre es lieber die Mannschaft könnte sich noch ein Jahr entwickeln.

Sie haben kürzlich Herrn Hopp, der in Hoffenheim 49 Prozent an der Fußball-Spielbetriebs GmbH hält, aufgefordert, sich zum Geschäftsführer bestimmen zu lassen, damit er in dieser Aufgabenstellung ?operative Verantwortung? übernehmen kann. Fühlen Sie sich als einsamer Mahner auf weiter Flur, oder wird Ihre Sorge, dass die 50+1 Regelung dort unterlaufen werden könnte, in der Liga geteilt?

Es ist so, ich habe das ja nicht aus heiterem Himmel gemacht. Ausschlaggebend war ein Interview, das ich zum Anlass genommen habe und in dem er gesagt hat, dass es sein größter Fehler im letzten Jahr gewesen sei, dass er nicht nah genug an der Mannschaft dran war. Das ist natürlich überragend für mich, wenn ein Investor das sagt. Ich meine, es hätte mich mal interessiert, was passiert wäre, wenn Morgan Stanley das gesagt hätte? Und als Folge daraus richtet er sich jetzt ein Büro am Trainingsgelände ein. Das ist unfassbar. Stellen Sie sich mal vor, unser Größter Aktionär Bernd Geske kommt jetzt morgen und will ein Büro in Brackel haben. Das ist genau das gleiche. Daraufhin habe ich das gesagt. Was die öffentliche Wahrnehmung angeht, gibt es natürlich zwei Unterschiede. Es gibt die in Anführungszeichen normalen Fußballfans, bei denen ich eine unglaublich große Unterstützung bekomme und es gibt die veröffentlichte Meinung, die anders ist. Was aber sicherlich auch damit zu tun hat, dass jemand der über Milliarden verfügt, auch einen gewissen Einfluss hat. Damit kann ich aber leben.



Mir geht es gar nicht um Hopp, sondern nur um klare Regeln, die für alle gelten sollten. Das heißt, derjenige, der das Sagen hat - und jeder weiß ja, dass er das Sagen hat - der muss auch nach außen hin dokumentieren: ich hab das Sagen! Was ist denn eigentlich so schlimm daran, wenn er sich von seiner Gesellschafter- versammlung, die er sicherlich dominiert, zum Geschäftsführer bestellen lässt? Dann kann er sein Büro am Trainingsgelände beziehen und jeden Tag fröhlich Interviews geben. Ich möchte nur nicht, dass irgendwann einmal ein Aktionär von Borussia Dortmund kommt und sagt: ich hab den gleichen Status wie Herr Hopp und ich möchte die gleichen Rechte. Dann muss ich sagen: nein, das ist schwierig. Also entweder halten wir die Investoren aus dem operativen Geschäft des Fußballs raus, oder sie sollen Funktionen bekleiden und Verantwortung übernehmen. Das ist das Thema und unser einziger Dissenz. Es gilt ja auch auf der Bundesstraße 100 km/h für alle und nicht für den einen, der ein bisschen mehr Geld besitzt 120 km/h und für die anderen nur 80 km/h. Das geht eben nicht.

>> Hier geht's zum ersten Teil.
>> Siehe hierzu auch: Hopp hat ein großes Medienecho

(Fotos) - 14. Juni 2010

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