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Nationalelf:

REVIER-Kolumne:

Redaktionssitz:

Früher wurde sowas hier mit Geld gelöst... Exklusivinterview mit H.-J. Watzke - Teil 1

Herr Watzke, ziehen wir ein Fazit der abgelaufenen Saison. Bei den Verantwortlichen überwiegt sicher die Zufriedenheit, mit der Platzierung können die Fans zufrieden sein. Aber: Trotz Euro-League-Platz im Vergleich zur Vorsaison zwei Punkte weniger eingefahren, vier Niederlagen mehr kassiert, sechs Tore weniger geschossen und fünf mehr eingefangen. Also bestenfalls Stagnation - keine Weiterentwicklung. Was hat Eure Saisonauswertung ergeben?

Es geht ja nicht so sehr um die Punkte. Ich glaube entscheidend ist immer, wo man am Ende der Saison steht. Das haben wir ja schmerzlich im letzten Jahr erfahren. Ich würde es genau umgekehrt sagen. Ich sage eher, unsere Leistung in der vorletzten Saison ist viel zu niedrig bewertet worden. Wir haben 59 Punkte geholt, mit denen es noch niemals eine deutsche Mannschaft nicht geschafft hatte, in den Europacup einzuziehen. Das war außergewöhnlich. Die Konstellation war eben, dass wir es trotzdem dann nicht geschafft haben. Gut, jetzt haben wir zwei Punkte weniger, was immer noch sehr gut ist. Aber: es hat gereicht.

Und am Ende des Tages hat man dann eben natürlich auch gesehen, dass es gegen Freiburg mehr oder weniger für uns auch darum ging, den 5. Platz zu verwalten. Da hat man gesehen, dass die Luft auch raus war. Aber das ist nicht das Entscheidende, sondern der 5. Platz. Und das zweite, was für mich entscheidend ist, ist dass wir uns spieltechnisch weiter entwickelt haben. Wir haben im letzten Jahr mit großer Leidenschaft und Einsatzwillen unsere Punkte gemacht, in diesem Jahr kam noch die Komponente hinzu, dass wir uns spielerisch weiter entwickelt haben. Und das ist etwas, was die Leute ja auch honorieren. Ich höre von niemandem, dass es Stagnation ist, sondern dass wir wieder einen Schritt gemacht haben. Dann sind wir zufrieden, aber auch gleichzeitig schon wieder unter Spannung, weil wir wissen, das dass was wir im letzten Jahr geschafft haben, nicht unbedingt normal ist. Denn wenn Du im finanziellen Ranking der Liga ungefähr an neunter Stelle liegst und wirst fünfter, dann musst du Dir darüber im Klaren sein, dass das nicht jedes Jahr zwingend so sein muss.

Eine Erkenntnis dürfte wohl lauten, dass bei Lichte betrachtet sogar noch etwas mehr möglich war! In der letzten Etappe der Saison, als es um die Champions League-Qualifikation ging, fehlte der Mannschaft aufgrund ihres sehr laufintensiven Spiels offenbar die Puste. Oder?

Nein, die Puste ging nicht so sehr aus, das ist, glaub ich, die falsche Erkenntnis. Die richtige Erkenntnis war, dass wir personell auf dem Zahnfleisch gingen in den letzten beiden Spielen. Und das ist ja das Maß, auch wenn sicher mancher davon geträumt hat, die Champions League zu erreichen. Sicher hätten wir das mitgenommen, man kommt aber am Ende des Tages nicht umhin einzuräumen, das Werder Bremen dann doch die individuell größere Klasse hatte. In den letzten beiden Spielen ist dann ganz konkret aufgefallen, dass wir keine 6er Position mehr besetzt hatten. Wir haben zwar nominell mit Tamas und Nuri eine Doppelsechs gespielt, aber das war ja nur eine Notlösung. Und demzufolge fehlten also Kehl und Bender, der wochenlang unter Vernachlässigung seines Gesundheitszustandes weitergespielt hat. Da haben wir dann die Quittung gekriegt, die wir zu bezahlen hatten, weil wir extrem viele Langzeitverletzungen in einem kleinen Kader hatten. Sieht man ja auch. In beiden Spielen haben wir sehr viele Torchancen zugelassen, weil wir nicht mehr defensiv sicher genug standen.

Stichwort Dreifachbelastung: Es war zu lesen, dass der BVB seinen "Spaßetat" (O-Ton Watzke) statt bisher 32,5 Millionen Euro die kommende Saison mit etwa 35 Millionen Euro Ausgaben für die Lizenzspieler-Abteilung plant, um den Kader in der Breite besser aufzustellen. Reicht das aus, um oben dran zu bleiben beziehungsweise diesen nächsten Schritt zumachen?

Nein, nicht zwingend. Mir ist klar, dass das wieder sehr ambitioniert ist, aber es gibt ja keine Alternative. Es gibt ja niemanden, der uns das Geld geben würde in der Form, dass wir es nicht zurückzahlen müssen. Neue Kredite wollen wir nicht aufnehmen. Also gibt es nur die Möglichkeit, uns in dem Rahmen zu bewegen ? weil die Euro League für uns ja auch keine Planungssicherheit ausweist. Es ist ein Spiel, das kann gut gehen, das kann nicht gut gehen und es hängt ja auch deutlich davon ab, ob wir gesetzt werden oder nicht, was ja auch noch offen ist. Wenn wir nicht gesetzt werden wie beim letzten mal kann es passieren, dass du in den Play Offs auf Juventus Turin oder den FC Liverpool triffst und da kann man nicht zwingend schon die Einnahmen der Gruppenphase einplanen. Also das heißt: wir können da eh keine großen Sprünge machen. Wir wissen, dass es schwierig ist, dass wir eigentlich so wie alle anderen, die Stuttgarter und die Leverkusener, oder wer auch immer sich in diesem Bereich tummelt, die 40 Mio. Schallmauer durchbrechen müssen, das können wir aber nicht. Also müssen wir so rechnen und kreativ sein.



Nach der Verpflichtung des australischen Nachwuchs-Torhüters Mitchell Langerak und des japanischen Mittelfeld-Talents Shinji Kagawa, gesellt sich nun auch der Pole Robert Lewandowski. Alle drei sind 21 Jahre Jung. Will der BVB jetzt die konkurrenzlos jüngste Mannschaft stellen?

Wir wissen sehr wohl, wenn wir unseren 25er Kader gedanklich vor Augen haben - und Michael Zorc, Jürgen Klopp und ich haben ja intensiv die Saison analysiert ? dass 16 Spieler 22 und jünger sind. Das ist schon sehr ambitioniert. Wir müssen den Wert eines Spielers erkennen, bevor die anderen es erkannt haben. Sonst ist er nicht mehr unser Spieler. Und wir haben ja nicht nur Langerak und Kagawa, sondern auch Piszczek verpflichtet und haben ja auch das vollzogen, was uns ja auch viele so genannte und auch wirkliche Experten geraten haben, nämlich auf der rechten Außenverteidigerposition eine Doppelsituation zu schaffen, wie wir es ja auf der anderen Seite auch haben. Lukasz Piszczek ist ein gestandener Bundesligaspieler und hat für Hertha BSC fast alle Spiele gemacht und spielt für die polnische Nationalmannschaft. Robert Lewandowski ist trotz seiner Jugend international schon erfahren, hat eine zweistellige Anzahl an Länderspielen und war jetzt zweimal Torschützenkönig. Und wie gesagt: Wir müssen unsere Spieler selbst entwickeln, das ist unser Thema.

Apropos Lewandowski. Wegen einer Vertragsklausel seines Beraters Cesary Kucharski hat die Verpflichtung recht lange gedauert...

Es gab eine Einigung zwischen Lech Posen und Borussia Dortmund und zwischen Lewandowski und Borussia Dortmund. Es gab jede Menge Clubs aus Deutschland und dem europäischen Ausland, die ihn verpflichten wollten, aber er hat sich früh für uns entschieden. Allerdings bedurfte es zum Wechsel noch einer Vertragsauflösung von Seiten Lech Posen. Ja, man hätte das ja so lösen können, wie das früher hier immer gelöst worden ist, mit viel Geld. Mit Geld kannst Du alles lösen. Aber für uns ist jeder 100.000 Euro-Betrag viel Geld. Wir müssen da immer achtgeben und demzufolge tun wir uns da eben schwer. Da warten wir lieber noch 14 Tage länger und am Ende haben wir dann nicht so viel Geld ausgegeben. Michael Zorc hat es ja jetzt gelöst, weil wir das in den letzten Tagen moderiert haben. 

Ist nach diesem Transfer die Personalplanung abgeschlossen, oder würde ? im Falle eines Wechsels von Nelson Valdez beispielsweise ? noch jemand geholt werden?

Klar ist, dass wir auch auf der Abgabeseite was tun müssen. Einzelne Namen kommentieren wir da nicht, aber da wird sicherlich auch noch ein bisschen Bewegung sein. Grundsätzlich sagen wir: bei dem Status quo den wir heute haben, ist unsere Einkaufspolitik für diesen Sommer beendet. Aber der Transfermarkt ist ja sehr dynamisch. Momentan ist der Markt ja komplett tot. Der Transfermarkt wird meiner Meinung nach erst in der zweiten Hälfte der WM in Gang kommen und danach muss man schauen, was sich ergibt und was sich noch tut. Nelson ist, das glaube ich, auch grundsätzlich bereit eine neue Herausforderung zu suchen und anzunehmen. Das haben alle Beteiligten miteinander besprochen und der Ball liegt dann jetzt bei Nelson und seinen Beratern. Wahrscheinlich würde ihm ja auch ein Ortswechsel mal ganz gut tun, denn man sieht ja, dass er in der Nationalmannschaft Paraguays immer erfolgreich und mit großem Selbstvertrauen spielt. Aber: Wir müssen ihn nicht abgeben. Er ist ein guter Typ, der sich immer komplett aufopfert. Auf der anderen Seite weiß er auch, dass sich mit Lewandowski und Kagawa eine neue Konkurrenzsituation auftut. Auch Mohamed Zidan wird im Oktober zurück kommen und mit Mario Götze haben wir einen A-Jugendspieler, der außerhalb Dortmunds vielleicht noch nicht so bekannt ist, aber von dem wir uns im kommenden Jahr auch einiges versprechen.

Mit Johannes Focher und Neuzugang Tim Hohmann, der ja U18-Nationalkeeper ist, verfügt der BVB, der traditionell immer schon überragende Torleute hervorgebracht hat, nun über ausreichend Konkurrenzkampf um die Nummer eins. Wann kommt endlich ein neuer Stefan Klos aus der eigenen Jugend?

Das ist ja der entscheidende Punkt und das haben Michael Zorc und ich auch mit unseren Nachwuchsleitern Lars Ricken und Peter Wazinski besprochen. Lars ist ja noch nicht lange im Amt, aber wir müssen einfach konstatieren, dass es uns in den letzten 10, 15 Jahren eben nicht gelungen ist. Vielleicht hat man den Fokus nicht so richtig darauf ausgerichtet, aber wir müssen das schaffen, auch auf dieser Position mal wieder einen heraus zu bringen, der wirklich höheren Bundesligaansprüchen auch genügt. Das haben wir jetzt eingeleitet und ich hoffe, dass das von Erfolg gekrönt ist. Mit Langerak und den beiden von ihnen genannten, haben wir jetzt drei von denen wir glauben, dass sie das von der Perspektive her schaffen können und das müssen wir jetzt einfach mal abwarten.

Unter Einbeziehung von Sven Mislintat ist der BVB im Scoutingbereich ? so wie es aussieht ? wesentlich effizienter aufgestellt: Der HSV verpflichtet vor der Haustür aus den Niederlanden Affeley für 9 Millionen, der BVB vom anderen Ende der Welt Kagawa für 350.000. Ist das der neue BVB?

Ja, natürlich ist er das, aber das hat weniger mit einzelnen Personen im Scoutingbereich zu tun, obwohl dort natürlich klasse gearbeitet wird. Zuerst einmal muss man sagen, dass wir in den Jahren 2005/2006/2007 überhaupt nicht das Geld gehabt haben, um das Scouting so zu betreiben, wie wir das gerne gehabt hätten. Das ist das eine. Michael Zorc hatte schon vorher klare Vorstellungen, die wir aber nicht bezahlen konnten. Wir haben dann ab 2006/07 kontinuierlich im Scouting investiert. Wir haben neue Hardware und Software angeschafft und darüber hinaus auch im Trainingszentrum sehr viel investiert. Ab 2008 haben wir dann noch einen Trainer dazu bekommen, der auch mit diesen Jungs umgehen kann und die auch besser macht. Und das alles zusammen trägt dann dazu bei, dass dieser Weg richtig ist und dass er offensichtlich mit viel Erfolg gegangen wird. Aber du kannst im Prinzip die besten jungen Burschen verpflichten, wenn du keinen Trainer hast, der denen eine Chance gibt und der auch mal Rückschläge in Kauf nimmt und ihnen das Vertrauen schenkt, dann können deine Scoutingabteilung und dein Sportdirektor machen, was sie wollen. Bestes Beispiel Mats Hummels, den wir auch schon 2008 im Pokalfinale im Kader hatten ? nur da hat er nicht gespielt. Unser großes Plus ist, dass die handelnden Personen Klopp, Zorc, Watzke, sich unglaublich gut verstehen und dass zwischen diese Drei einfach nichts dazwischen passt. Da wird oft auch sehr kontrovers diskutiert, aber immer mit einer sehr freundschaftlichen Komponente. Die anderen, so wie Sven Mislintat oder Lars Ricken sind extrem motiviert. Wir verstehen uns einfach menschlich gut und in so einem Klima kann dann auch was gedeihen. Gerade die jungen Spieler sagen, dass sie sich hier wohl fühlen.

Der Vertrag mit Oliver Bartlett wird jetzt doch verlängert. Wie konnte das noch klappen?

Ja! Das war allerdings gar nicht so leicht, weil er ja die Nationalmannschaft noch hatte, was ja auch mit sehr großer, persönlicher Reputation verbunden war. Darauf verzichtet er künftig und fokussiert sich ausschließlich auf Borussia Dortmund. Er ist ja auch immer aus dem Rheinland angereist, aber jetzt nimmt er sich hier eine Wohnung. Das sind natürlich alles umfangreiche Veränderungen seiner persönlichen Abläufe, zu denen wir ihn ja auch erst einmal überzeugen mussten. Das haben wir in den letzten Monaten relativ geräuschlos hingekriegt, was ja auch die Stärke von Borussia Dortmund ist. Es waren teilweise schwierige Gespräche, doch das haben wir gemeinsam geschafft.

Der Verein investiert derzeit rund drei Millionen Euro in die eigene Zukunft und holt den Nachwuchs in Brackel räumlich an die Profis heran. In einer Jugendakademie sollen künftig hochbegabte Fußballer auf den Profisport vorbereitet werden. Außerdem entsteht ein neues Funktionsgebäude für die Bundesligamannschaft. Sind das die Lehren und Rückschlüsse des beinahe erlebten Finanzkollaps vor fünf Jahren?

Das große Problem, was wir hier damals vielleicht nicht gesehen haben ist, dass das Fundament erst da sein muss, bevor du dir die Dachziegel kaufst. Wir haben in den 90er Jahren überragende Erfolge erzielt, die auch niemand klein reden sollte, denn das ist schon was außergewöhnliches, aber das Fundament war eben nicht da. Wenn man sich heute mal überlegt? wir haben 1997 die Champions League gewonnen und hatten einen einzigen Trainingsplatz, der nicht mal Originalmaße hatte, das ist unvorstellbar. Da haben Nationalspieler damals dann bei gutem Wetter im Luftbad trainiert, zwischen Leuten, die schwimmen waren und sich der Sonne hingegeben hatten. Da haben die dann so ein Feld mit Leibchen abgesteckt und darauf Fußball gespielt. Das war damals ja schon nicht mehr zeitgemäß und in der Zwischenzeit sind damals in diesem Bereich alle anderen an uns vorbei marschiert. 2005, als ich hier angefangen habe, war ja die gleiche Situation immer noch da und wir hatten immer noch nur diesen einen Platz und mussten in der Zeit, in der wir schon kein Geld hatten um uns rum viel investieren. Unsere Philosophie lautet einfach: die Grundlagen müssen stimmen. Und was uns dann nicht gelungen ist ? das kann man auch selbstkritisch einräumen und ich beziehe mich da ausdrücklich mit ein ? ist, einen zu 100% zu uns passenden Trainer zu verpflichten. Entweder gab es keinen, oder wir haben ihn nicht gesehen. Jedenfalls war das die letzte große Baustelle, denn der richtige Trainer ist absolut und elementar wichtig. 

Aus Gelsenkirchen hört man trotz Verbindlichkeiten des eingetragenen Vereins von 135,2 Millionen Euro, und des Gesamtkonzerns mit seinen insgesamt 13 Tochtergesellschaften von sogar 248,6 Millionen Euro. Dennoch hat der Nachbar Großverdiener Metzelder geholt und sogar Mauro Camoranesi von Juventus Turin im Tauschgeschäft mit Rafinha gelockt. Wie kann das gehen? Haben die Schalker eine Gelddruckmaschine im Keller oder bezahlen die mit Spielgeld aus der Monopoly-Kiste?

Grundsätzlich ist es doch so - und ich will jetzt gar nicht so sehr auf Schalke eingehen - lass die ihr Ding machen und wir machen unsers. Nur, die Art wie wir wirtschaften, gerade vor dem heutigen wirtschaftlichen Hintergrund, müsste doch jedem eigentlich deutlich machen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die Kommunen sind Pleite, der Staat ist Pleite, halb Europa ist Pleite? und warum? Weil man überall einfach zu viel ausgegeben hat im Vergleich zu den Einnahmen, die man hat. Und wer auf Dauer mehr ausgibt als er einnimmt, der wird ein Problem kriegen.



Ich hatte vor vier, fünf Jahren oder meinetwegen auch vor drei Jahren noch das Gefühl, dass die Leute das nicht mehr richtig verstehen. Das lernst du, wenn du einigermaßen gut erzogen wirst schon von deinen Eltern, dass man nicht mehr ausgeben sollte, als man in der Tasche hat. Leider Gottes hat die Politik uns dann irgendwann mal das Gegenteil vorgemacht und es ging immer so weiter. Was jetzt die Situation angeht bei Schalke? das will ich nicht bewerten. Tatsache ist aber, dass man vorige Woche in den Medien lesen konnte, dass es dort ja durchaus auch unterschiedliche Ansichten gibt. Das ist aber ein Thema, dass die lösen müssen. Wir jedenfalls gehen von unserem Weg nicht ab. Ich bin davon überzeugt, dass das der richtigere Weg ist.

Wie genau sieht dieser Weg aus?

Auch wenn wir wieder mehr Möglichkeiten haben, uns wieder mehr Spielräume erwirtschaften, die wir uns erst erspielen müssen, dann werden wir weiter unsere Philosophie verfolgen, nämlich auch und vor allem jungen Spielern eine Chance zu geben. Im ganzen Ruhrgebiet, in ganz Westfalen darf uns im Grunde genommen kein Spieler mit 15, 16 mehr durchgehen von dem wir sagen, das ist ein Riesentalent. Und wir müssen auch Spieler mit 21 bis 23 Jahren anderswo holen, sie erkennen lassen, dass sie uns weiter bringen. Dann müssen wir da unser Geld, was wir vorher erwirtschaftet haben, investieren. Wir brauchen auch drei, vier, fünf ältere, die den Laden führen können, das wissen wir auch. Und deshalb kann es auch genauso gut sein, dass wir dann mal wieder einen 30-jährigen verpflichten. Tendenziell ist das der richtige Weg. ''

Christoph Metzelder sagte, sein Wechsel zum Nachbarn wäre Ausdruck des heftigen Werbens von Felix Magath, der ihn unbedingt wollte. Jetzt mal ehrlich: Wollte der BVB ihn wirklich nicht, zumal er ja bis dato immer als jemand galt, der dem BVB über das Spielfeld hinaus eng verbunden war?

Nein! Christoph hatte eine durchwachsene Zeit bei Borussia Dortmund, die am Anfang sehr erfolgreich war und dann durch viele Verletzungen ab geprägt war. Er hat sich in den ganzen Jahren, in denen er bei uns gespielt hat, auch immer gut präsentiert. Als Typ war es ein guter Botschafter des BVB. Aber in der jetzigen Situation hätte ein Verpflichtung von Christoph null komma null Sinn gemacht. Da brauchen wir ja auch gar nicht lange drum herum reden. Unsere sportliche Leitung ist sich da ja auch komplett einig, dass wir auf seiner Position mit Subotic, Hummels und Santana exzellent aufgestellt sind. Du kannst doch nicht versuchen, den Christoph Metzelder nach Dortmund zu lotsen und kannst ihm noch nicht einmal eine vernünftige Perspektive bieten ? denn die hätten wir nicht gehabt, das muss man einfach so sehen. Er will nicht als rechter Verteidiger spielen, er sieht sich als Innenverteidiger und wenn wir ein Problem nicht haben, dann liegt das exakt dort. Also gab es für uns ? und das konnte er sicherlich auch einschätzen ? keinen Gesprächsbedarf. Dass er dann jetzt nach Gelsenkirchen geht, ganz ehrlich, sehe ich nicht als so dramatisch an. Es hat immer zwischen beiden Clubs einen Austausch gegeben. Wir dürfen auch nicht den Fehler machen, dass wir zu oft nach Gelsenkirchen schauen ? und das ist auch das, was ich allen Anhängern empfehle ? weil wir mittlerweile wieder selbst stark sind. Wir sollten auf uns schauen, auf Borussia Dortmund, denn das ist ein wirklich toller Verein, der so viel zu bieten hat, auch von der Außendarstellung, so dass wir momentan auch in der Liga wieder extrem angesehen sind. Das haben wir alles in den letzten fünf Jahren mit wenig Geld wieder hingekriegt. Also, wir sollten nicht mehr permanent nach Gelsenkirchen schauen, auch wenn die in der Champions League spielen und wir nur in der Europa League. Letztes Jahr waren wir drei Plätze vor Schalke. Wir haben, um das auch noch mal klar zu sagen, längst Augenhöhe wieder hergestellt und das wird sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern.

Herr Watzke, eines Ihrer Lieblingsworte lautet ja ambitioniert. Wäre es vermessen, wenn man Ihnen das Versprechen abnimmt, dass sich der BVB in jener Tabellenregion etabliert, wo er jetzt steht?

Wenn man eine Prognose abgibt, muss man zumindest eine Hoffnung oder die realistische Einschätzung haben, dass die Wahrscheinlichkeit auch relativ groß ist. Ich war einmal, weil ich auch allen eine Perspektive bieten wollte, etwas mutig. Ich hab 2006 etwas gesagt, wo ich dann stark belächelt worden bin, aber wo mir im nachhinein jeder zugestehen muss, dass ich recht behalten habe: ich hab gesagt, wir wollen bis 2011 wieder Augenhöhe mit Clubs wie Bremen, Hamburg, Stuttgart, Schalke haben. Und da haben alle gelacht. Aber: wir haben das geschaft! Ich weiß auch, dass wenn du permanent an achter, neunter Stelle im Finanzranking bist ? und Geld spielt nun mal eine entscheidende Rolle ? musst du immer nah am Optimum spielen, wenn du dich mit denen messen willst. Das werden wir immer wieder versuchen, doch um jetzt zu sagen, das werden wir immer schaffen, bin ich zu sehr Realist. Wo wir uns sicherlich etabliert haben, ist die obere Hälfte der Tabelle. Aber die Schwieirgkeit unter die ersten fünf zu kommen hat auch was damit zu tun, dass es drei Clubs gibt, wo wirtschaftliche Gegebenheiten nicht die Rolle spielen. Wenn da kein Wolfsburg, kein Hoffenheim und auch kein Leverkusen wäre, würde ich heute sagen, Borussia Dortmund wird sich die nächsten fünf bis zehn Jahre da oben überwiegend festsetzen. Aber es ist, wie es ist und demzufolge müssen wir kämpfen. Wir sind gut aufgestellt und haben überhaupt keine Angst. Aber jetzt zu sagen, wir müssen da immer sein, dafür fehlt mir die Sorglosigkeit.

Sie sagen ja immer, dass es wichtig ist, dass der BVB seine Visitenkarte endlich auch wieder international abgeben kann. Der Name des Champions League Siegers von 1997 bedarf dringend einer Politur ? vor allem vor dem Hintergrund zu erzielender Vermarktungserlöse?

Wir wären heute soweit, dass wir Udinese Calcio ausschalten würden, da bin ich mir sehr sicher. Damals war Jürgen Klopp ja erst ein paar Wochen Trainer in Dortmund. Deshalb hoffe ich ja, dass wir auch ein bisschen Losglück haben und vielleicht nicht grad eine italienische oder englische Mannschaft in den Play-Offs zugelost bekommen.

Jürgen Klopp sagte kürzlich, dass es wieder normal sein müsse, beim BVB Nationalspieler werden zu können, ohne den Klub wechseln zu müssen. Warum ignoriert der Bundestrainer die Leistungen der Schwarzgelben so beharrlich?

Hummels und Großkreutz haben ja jetzt ihr erstes Länderspiel gemacht. Es werden aber noch mehr dazu kommen, ein Sven Bender und auch ein Marcel Schmelzer, der einen unglaublichen Schritt nach vorn gemacht hat. Da braucht man keine prophetische Gabe zu besitzen. Aber in der Tat, muss man das mit Joachim Löw mal in Ruhe nach der Weltmeisterschaft diskutieren. Es hat sicher damit zu tun, dass er unsere Spieler fast immer in Auswärtsspielen sieht, während er die Clubs der Südschiene immer in Heimspielen sieht. Ich hab mich diese Saison ja mit ihm zweimal unterhalten, in Stuttgart und in Freiburg, aber das waren nun mal Auswärtsspiele für uns, wo du als junger Spieler nunmal anders agierst, als getragen vom heimischen Publikum. Ich bin sehr sicher, dass da keine Absicht hinter steckt und ich bin ebenso sicher, dass in den nächsten Jahren noch einige Spieler von Borussia Dortmund in der Nationalelf spielen werden. Jürgen hat Recht. Es wird absehbar wieder Nationalspieler aus Dortmund geben.

, (Fotos) - 12. Juni 2010

Im 2. Teil sprechen wir mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung u.a. über die erneute Erhöhung der Ticketpreise...

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