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Hopp hat ein großes Medienecho - aber auch viele Kritiker

Kommentar

Nicht nur in der Dortmunder Fanszene wird Dietmar Hopps Engagement für die TSG kritisch gesehen. Weit über die Grenzen der aktiven Fans und über Vereinsgrenzen hinaus wird das "Modell Hoffenheim" emotional diskutiert. Die Befürchtung, in mehr oder weniger ferner Zukunft in der Bundesliga und schlussendlicher Konsequenz auch auf europäischer Ebene immer mehr Duelle von "Millionärsspielzeugen" zu sehen, eint viele Freunde des Fußballsports in Ablehnung gegen den Dorfverein.

Fanproteste "gegen Hopp" gibt es seit Jahren. Seit Hoffenheim aber erstklassig spielt, sind sie auch von Interesse für die Medien. Nicht nur, weil Dietmar Hopp dünnhäutiger ist als alle anderen Fußball-Funktionäre (und ja - selbstverständlich ist er einer von ihnen), sondern auch weil er u.a. sehr gute Verbindungen in die Chef-Etage des DFB unterhält.



Mitunter landen die Angriffe gegen den Sportmäzen aus dem Rhein-Neckar-Kreis weit unter der Gürtellinie. Das schadet dann weniger Dietmar Hopp als viel mehr seinen Kritikern. Aber immer, wenn es auf den Rängen unsachlich wird, wird Hopp es auch, gefolgt von Rangnick, Schindelmeiser und großen Teilen der Medien.

In der Hysterie, den Milliardär gegen unflätige Angriffe zu schützen, bleibt angemessene Kritik an seinem Engagement in Hoffenheim meist ungehört. Dabei steht sie nicht nur auf Spruchbändern der Fußballfans in nahezu allen Stadien Deutschlands, sondern gibt es auch Fußball-Funktionäre, die die Entwicklung um den Dorfverein kritisch sehen.

DFB Präsident Theo Zwanziger ist zwar bereit, über Vereins- oder Kollektivstrafen nach Beleidigungen von Herrn Hopp nachzudenken, nicht aber über eine vermeintliche "Aushöhlung der 50+1-Regel", die zumindest diskutiert werden darf, wenn der Geldgeber Hopp vor die Mikrofone tritt und sich zu Spielertransfers konkret und bestimmend äußert.

Diesen Umstand beklagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vor gut fünf Monaten genauso, wie die Wettbewerbsverzerrung, die durch Hoffenheim und die beiden Werksvereine entstehe. Dabei hatte er durchaus sachliche Argumente vorgetragen und klar gestellt, das von 18 Bundesligavereinen eben nur 15 ihre Ausgaben selbst erwirtschaften müssen. Watzke suchte nach Lösungen und sprach sich für eine "Verteilung der Fernsehgelder nach dem Verursacherprinzip" aus. Ein durchaus streitbarer Vorstoß, da so zusätzlich zur bestehenden Wettbewerbsbeeinflussung weitere Ungerechtigkeiten entstehen würden.

Zu einer Diskussion konnte es niemals kommen, denn von den Kernpunkten von Watzkes Kritik erfuhr Fernseh-Deutschland ("Die Medien haben einen neuen bösen Buben") wenig. Beckmann erwähnte in der Sportschau kaum den Inhalt von Watzkes Äußerungen, bezeichnete sie aber trotzdem in forscher Verallgemeinerung als "dumme Vorurteile" gegen Hopp und gegen Hoffenheim und nannte Watzke einen "großen Polemiker". Dass die Polemik im ARD-Kommentar die des Dortmunder Geschäftsführers vor allem in Sachen Inhaltslosigkeit um ein Vielfaches überstieg, war genauso bemerkenswert, wie der eklatante Mangel an medialen Gegenstimmen.

Dafür durfte Hoffenheim-Manager Jan Schindelmeiser die vollkommen disparate "Enke-Keule" auspacken und den Tod des Nationaltorhüters instrumentalisieren, um Watzkes Kritik am Modell Hoffenheim mundtot zu machen. Dies blieb - auch in der Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen - unkommentiert.

Rund um das letzte Duell zwischen Hoffenheim und dem BVB konnte man feststellen, dass die Abteilung Attacke H.-J. Watzke weit weniger Akzeptanz in der Medienlandschaft besitzt, als das Original von der Säbener Straße. Kann Uli Hoeneß - freilich neben vielen blitzgescheiten und lobenswerten Diskussionsbeiträgen - von Zeit zu Zeit selbst den gröbsten Unfug oder sogar Ersatzkeeper Rensing in die Nationalmannschaft reden, ohne dafür wahrnehmbar kritisiert zu werden, wurde Watzke von den Öffentlich-Rechtlichen als "Polemiker" gebrandmarkt. Ebenso konnte man feststellen, dass Dietmar Hopp bei den Medien schon nach wenigen Jahren im Fußballgeschäft deutlich mehr Ansehen geniest, als das Gros der Macher in der Bundesliga.

Wenn der Mäzen unsachlich wird, hüten sich alle Medienvertreter, ihn einen Polemiker zu nennen. Und auch "seine" Angestellten dürfen sich in Sachen seltsamer Kommentare ohne große Widerworte ausleben.

So forderte Ralf Rangnick, der in der letzten Woche "seine" Fans verbal entmündigte ("Die plappern doch nur nach, was sie in anderen Stadien hören"), nach beleidigenden Sprechchören aus der schwarz-gelben Gästekurve tatsächlich Geld- und Punktstrafen für die Vereine. Dass Teile des Hoffenheimer Publikums BVB-Torhüter Weidenfeller mit exakt den gleichen Worten bedachten, wie Teile des Dortmunder Anhangs Dietmar Hopp, blieb in der kompletten Nachbetrachtung gänzlich unerwähnt. Demnach kommt es wohl weniger auf die Beleidigung an, sondern eher darauf, wer beleidigt wird. Roman Weidenfeller ist schließlich nicht Dietmar Hopp und Zwanziger-Sohn Ralf zählt auch nicht zu seinen Arbeitskollegen.

Hopp bezeichnete Anhänger des Ballspielvereins undifferenziert als "Idioten", zeigte einen jungen Fußballfan wegen des berühmt-berüchtigten Fadenkreuz-Doppelhalters an und konterte Watzkes Kritik am Modell Hoffenheim mit einem wenig dezenten Hinweis auf das Dortmunder Finanzgebaren in den vergangenen 15 Jahren. Fast jede Kritik an den Finanzjonglagen von Niebaum und Meier ist schlichtweg richtig und wichtig, in diesem Zusammenhang verfehlt sie aber das Thema um Lichtjahre. Schließlich geht es in der ganzen Diskussion um den sportlichen Wettbewerb nicht darum, wie mit Geld umgegangen wird, sondern wo es herkommt.

In der Tat war die Borussia in der zweiten Hälfte der Neunziger und in der ersten Hälfte der "Nuller" Weltmeister im Geldverbrennen. Die Anzahl der falschen Entscheidungen zum Ende der Ära Niebaum wurde lediglich von der Anzahl eingegangener Risiken übertroffen. Deshalb ist der BVB bis heute mehr Mahnmal als Vorbild in Sachen Fußballmanagement.

Wenn Dietmar Hopp Dortmunder Kritik am "Modell Hoffenheim" mit dem Hinweis auf die niemeiersche Geldverbrennungsmaschinerie kontert, kann dem mit Fug und Recht mit dem Hinweis begegnet werden, dass der BVB die Scheine, die er mit Schaufelradbaggern zum Fenster heraus geworfen hat, zumindest selbst "verdient", naja oder besser erwirtschaftet hat. Sponsoringmaßnahmen und Börsengänge sind ein Instrument zur Beschaffung von Geldmitteln, das einem in der Regel nur dann zur Verfügung steht, wenn man einen Gegenwert zu bieten hat oder der Geschäftspartner zumindest davon überzeugt ist, es sei so.



Deshalb musste sich die TSG nach einer anderen Einnahmequelle umsehen. Denn der Provinzverein hätte bis vor wenigen Jahren wohl weder als "TSG Hoffenheim", noch als "1899 Hoffenheim" oder "FC Heidelberg 03" mit besagtem Instrumentarium eine annähernd ausreichende Summe für den Durchmarsch von der Beschaulichkeit im Rhein-Neckar-Kreis in die Gigantomanie des Spitzenfußballs
generieren können.

Fußballvereine sind und waren schon lange Dreierlei: Unternehmen in der Unterhaltungsbranche (Wer das nicht erkennt, lebt in einer Traumwelt, wenn auch in einer schönen), Teilnehmer an einem sportlichen Wettbewerb und schichtübergreifende Kulturträger: Für die Gesellschaft ist der letzte Punkt dieser Trias der Wichtigste. Die meisten Fußballfans fasziniert vornehmlich besagter sportlicher Wettbewerb.

Auf sportlichen Erfolg konnte früher wirtschaftlicher Erfolg folgen, mit dem der sportliche Erfolg dann wiederum potentiell gemehrt werden konnte. Heute wird das Feld vielerorts "von hinten" aufgeräumt. Der eigentliche (Wirtschafts-) Wettbewerb findet teilweise unabhängig von sportlichen Ergebnissen statt. Wem das nicht gefällt, der ist laut Hopp "fortschrittsfeindlich".

Solange das so ist, wird es weiter berechtigte Fanproteste geben und Kritik am "Modell Hoffenheim" wird einem aller Voraussicht nach auch in Zukunft keine "Lex Hopp" verbieten können.

Die Anerkennung, die sich Hopp für sein Engagement im Fußball deutschlandweit erhofft hatte, bekam er nach dem letzten Spieltag vornehmlich in Sinsheim: "Außer Dietmar könnt ihr alle gehen" skandierten die "Hoffe"-Fans nach der Heimniederlage gegen den 1. FC Poldi. Kurz danach beschimpften sie "ihre" Spieler als "Scheiß-Millionäre". Fremdschämfaktor extrem hoch. Genau wie bei BVB-Fans, die Hopp und Andere vollkommen unreflektiert beschimpfen.

Es bleibt also zu hoffen, dass sich Hopps lauteste Kritiker aus dem Dortmunder Umfeld in Zukunft eines Besseren besinnen und ihre berechtigte Kritik nicht selbst torpedieren, indem sie den Mäzen und andere auf unterstem Niveau bepöbeln. Abgesehen davon, dass es wünschenswert wäre, wenn sich der Umgang im Stadion in gewissen Geschmacksgrenzen bewegte, sind solch plumpe Unmutsäußerungen absolut nicht zielführend. Im Gegenteil - sie haben keine Berechtigung und keinen Inhalt - sie verstellen den Weg zu sachlicher Kritik, weil diese im Schatten der beleidigenden Sprechchöre von keinem wahrgenommen wird.

, 15.04.2010

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