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Exklusiv-Interview mit Sebastian Tyrala (II): "Für die Älteren ging es um die Karriere"

Im zweiten Teil unseres Interviews sprechen wir mit Sebastian Tyrala u.a. über seinen Aufstieg in die erste Mannschaft des BVB, über seine schweren Verletzungen und Rückschläge, über Dortmunder Jungs und über die Nationalmannschaft. (Zum ersten Teil des Interviews geht es hier.)

Hast Du noch Kontakt zu alten Weggefährten, Betreuern, Trainern oder Jugendspielern aus Deiner Dortmunder Zeit?

Sebastian Tyrala: Zu meinen ehemaligen Trainern habe ich einen ganz guten Draht und telefoniere hin und wieder mit ihnen. In der B-Jugend hatte ich lange Zeit Peter Wazinski als Trainer gemeinsam mit Co-Trainer Benny Hoffmann. Mit denen verstehe ich mich immer noch richtig gut. Lars Tiefenhoff, Hannes Wolf und Theo Schneider, die mich alle lange trainiert haben, sehe ich hin und wieder, da ich ja auch noch oft in Dortmund bin und beim Training zugucke. Die Verbindung bleibt immer bestehen, auch zu den Physiotherapeuten. Es war für mich immer wichtig, mit allen gut klar zu kommen. Ich freue mich darüber, dass die auch noch Kontakt zu mir haben wollen, denn man weiß ja nie was im späteren Leben mal ist und vielleicht kann man dann auch irgendwie auf deren Hilfe zurückgreifen.

Und zu welchen ehemaligen Mitspielern hast Du noch Kontakt?

Sebastian Tyrala: Zu ganz vielen. Bspw. zu Heiko Herrlich und Christian Wörns mit denen ich kurz zusammengespielt habe. Wir haben damals auch mal so privat zusammen gekickt wenn wir frei hatten. Hinzu kommen noch einige andere ehemalige Mannschaftskollegen der Amateure die jetzt vielleicht weggegangen sind, in der Regionalliga spielen oder tiefer.

Im krassen Gegensatz zu Deiner positiven sportlichen Entwicklung in Dortmund als Du im Jahr 2005 einen Profivertrag bekamst, stand die damalige existenziell bedrohliche Phase für den BVB. Wie hast Du diese Zeit erlebt?

Sebastian Tyrala: Es ging bei vielen im Verein um die Existenz. Das war eine sehr angespannte Situation, die wir nicht so gelebt haben wie die älteren Spieler. So etwas mitzuerleben war für uns Neuland. Für die Älteren ging es um die Karriere, um die Familie. Das ist natürlich eine ganz andere Sache. Die Anspannung war sicherlich groß, denn die Ergebnisse müssen dann auch stimmen, um so was wieder umzubiegen. Ich denke, der Verein hat das wirklich gut hinbekommen. Wenn man sieht, wo sie jetzt stehen und wo sie vor fünf Jahren standen, dann muss man ein Kompliment aussprechen.

Hat sich das auch darüber hinaus konkret auf die Mannschaft ausgewirkt? 

Sebastian Tyrala: Soweit ich mich erinnern kann, eigentlich nicht. Also es war oft so, dass der Trainer bzw. der Vorstand dann auch gesagt hat: Ihr könnt da sowieso nicht viel machen, Hauptsache ihr konzentriert euch auf den sportlichen Teil. Das andere können die Spieler meistens nicht beeinflussen. Was außerhalb des Platzes passiert, da sind andere für zuständig. Aber auf der Jahreshautversammlung bekam man das ganze Ausmaß schon mit, als es z.B. die ganzen Pfiffe gab. Letztlich können die Spieler nur Ergebnisse sprechen lassen.

Wenn Du die Entwicklung der Dortmunder Jungs Deines Jahrgangs siehst wie bspw. die von Nuri Sahin oder Kevin Großkreutz: Schmerzen dann Deine damaligen langwierigen Verletzungen, die Dich so zurückgeworfen haben vor dem letzten Schritt in die erste Mannschaft, umso mehr? (Sebastian Tyrala zog sich in einer seiner ersten Trainingseinheiten bei den Profis in einem Zweikampf mit Jan Koller einen Kreuzbandriss zu, als dieser auskuriert war, riss er sich im selben Knie den Meniskus, d. Red.)

Sebastian Tyrala: Also das weiß man alles nicht, ob es so gewesen wäre, wenn ich mich nicht verletzt hätte. Da denke ich auch eigentlich gar nicht mehr drüber nach. Fakt ist, dass es so passiert ist. Danach bin ich ja auch halbwegs zurückgekommen, habe meine Bundesliga-Spiele gemacht. Natürlich fällt man dann in so ein Loch, aus dem es schwer ist raus zu kommen. Ich bin froh, dass ich jetzt im Profifußball angekommen bin und auf einem hohen Niveau in der zweiten Liga spiele. Das ist sehr zufriedenstellend. Klar wäre es schöner gewesen, wenn ich in Dortmund einen Riesensprung gemacht hätte und zu mehr Einsätzen gekommen wäre. Ich bin dort groß geworden und habe in Dortmund alles gelernt. Doch ich bin zufrieden so wie es ist, ich bin seit mehreren Jahren verletzungsfrei. Wenn ich jetzt noch darüber nachdenken würde, was gewesen wäre, wenn ich mich damals nicht verletzt hätte, wäre das verkehrt. Mich freut es für die anderen Jungs. Marcel Schmelzer, Nuri Sahin, Kevin Großkreutz und Mario Götze sind alles Spieler die ich noch von früher kenne, auch Mats Hummels durch die Nationalmannschaft. Das sind alles meine Freunde. Ich hoffe, dass wir uns dann irgendwann in der Bundesliga wiedersehen. Mit 22 bin ich ja noch jung und habe noch ein bisschen Zeit.

Das bedeutete damals aber auch, dass Du lange Zeit einsam Deine Runden drehen durftest um wieder fit zu werden.

Sebastian Tyrala: Ja, das war wirklich eine schlimme Zeit. Ich war 17 Jahre alt und hatte vorher immer Fußball gespielt, ohne irgendeine Verletzung. Wenn man das dann auf einmal lange nicht mehr kann und nur noch ohne Ball arbeitet, läuft oder im Kraftraum ist, dann macht das irgendwann keinen Spaß mehr. Aber Bert van Marwijk hatte ein tolles Trainerteam. Egid Kiesouw (der damalige Konditionstrainer des BVB, d. Red.) hat mit mir die Reha gemacht, dem habe ich viel zu verdanken, seitdem bin ich topfit.

Wenn man gerade auf dem Sprung in den Profibereich ist und dann durch zwei so schwere Verletzungen zurückgeworfen wird, bekommt man da auch seine Zweifel, ob das alles noch eine Zukunft hat?

Sebastian Tyrala: Es war ein unglücklicher Zeitpunkt, aber es wäre schlimm gewesen, wenn mir Zweifel gekommen wären und ich mich gefragt hätte, ob es das Richtige ist oder nicht. Ich war sehr jung und hatte einen Profivertrag bei Borussia Dortmund, da wäre es falsch gewesen, aufzugeben. Zudem hat mich in der Zeit meine Familie sehr unterstützt. Egal wie schlimm eine Verletzung ist - irgendwann heilt sie und daher lohnt es sich dran zu bleiben. Wenn man einmal in Dortmund vor 80.000 Zuschauern aufgelaufen ist, dann beflügelt das einen so, dass man mehr davon will, da gibt es kein Aufgeben, auf keinen Fall.

Wer war der bisher wichtigste Trainer für Dich?

Sebastian Tyrala: Bert van Marwijk, ist doch klar. Er hat mich zu den Profis geholt, ihm habe ich viel zu verdanken. Ein super Trainer der nicht umsonst niederländischer Nationaltrainer ist. Ich denke, das spricht für sich. Ich fand es schade, dass er dann nicht mehr in Dortmund geblieben ist. Ansonsten hat jeder Trainer so seine eigenen Ideen. Jürgen Klopp ist für mich ebenfalls ein überragender Trainer, ich könnte ihm den ganzen Tag zuhören wenn er was erzählt, weil es so tief in dich reingeht, dass du das auch alles speicherst. Ich bin sehr froh, dass ich unter den beiden Trainern trainieren durfte und viel lernen konnte. Die Beiden werden auch weiterhin Erfolg haben. Bert van Marwijk hat noch viel vor in den Niederlanden und ich denke, der Kloppo wird ebenfalls irgendwann mal Nationaltrainer. Auch das Training unter Karsten Baumann ist gut, ich habe mich schon enorm weiterentwickelt.


Wie war denn Dein Kontakt zu Jürgen Klopp?

Sebastian Tyrala: Als Jürgen Klopp zum BVB kam war ich bei den Amateuren und habe nicht so oft mit den Profis trainiert. Er hat mich dann aber mit ins Wintertrainingslager genommen und dann durfte ich das nächste Halbjahr die ganze Zeit mittrainieren. Er wusste, dass ich wechseln werde und hat mich immer unterstützt. Er hat mir persönlich gesagt, dass ich ihn Tag und Nacht anrufen kann, wenn was ist. Das macht auch nicht jeder. Das Training bei ihm macht riesig Bock, weil er ein toller Mensch ist. Auch wenn er ein Kumpeltyp ist, kann er durchgreifen und ein harter Trainer sein. Der hat die richtige Mischung gefunden, am liebsten würde ich immer da trainieren.

Wie wichtig ist eigentlich das ganze Umfeld eines Vereins für einen Spieler, wie viel Prozent der Leistung macht das aus?

Sebastian Tyrala: Ich würde sagen, mehr als die Hälfte. Es ist wichtig, dass man sich wohlfühlt. In Osnabrück fühlte ich mich zu Beginn auch erst mal alleine in dem neuen Umfeld und musste mich daran gewöhnen. Trainer, Co-Trainer, Physiotherapeuten und Trainingsleistungen - das muss alles passen. Wenn man sich nicht wohlfühlt, kann man auch keine Leistung bringen, das ist einfach so. 60-70 Prozent hat das Ganze mit dem Wohlfühlcharakter zu tun. Fußballspielen können wir irgendwie alle. Nur ob wir das dann tagtäglich abrufen können, hängt stark vom Umfeld ab: Ob der Trainer dich begeistert, ob die Physiotherapeuten dich gut behandeln oder der Co-Trainer auch mal einen Spaß machen kann, das gehört alles dazu. Wenn es drumherum passt, dann läuft es von selbst. Das sieht man ja jetzt auch in Dortmund, da passt im Moment alles - bei Spielern, Trainern, Umfeld, Fans. Gerade wenn ein Spieler aus dem Ausland kommt und sich nicht wohlfühlt, dann wird er auch keinen Erfolg haben.

Wie ist es denn dann, wenn es mal nicht so läuft und es in der Mannschaft oder im Umfeld nicht passt, wie reagiert man da?

Sebastian Tyrala: Also in Dortmund habe ich es mal eine Zeit lang erlebt, dass ich auch bei den Amateuren nicht gespielt habe. Da hat dann nichts gepasst. Als Thomas Doll Trainer wurde hat er mich in die zweite Mannschaft runtergeschickt. Theo Schneider war dann auch nicht zufrieden mit meinen Leistungen bei den Amateuren. Ich habe dann natürlich mit mir gehadert und überlegt was verkehrt ist und fühlte mich benachteiligt. Obwohl ich mit den Profis trainiert habe, war ich eine Zeitlang nicht mal mehr im Kader der Amateure, das waren schon negative Zeiten. Man hinterfragt sich dann ständig, warum man nicht spielt und ob man wirklich schlechter ist als die anderen. Als junger Spieler hat mich das schon mitgenommen. Aber ich bin froh, dass ich aus diesem Tal wieder rausgekommen bin und gezeigt habe, dass ich es doch kann und es allen beweisen konnte. Ich war ganz unten und bin dann erneut zum Stammspieler bei den Amateuren geworden, bin mit in die 3. Liga aufgestiegen und konnte wieder bei den Profis trainieren. Von ganz oben ging es nach ganz unten und wieder zurück. Da bin ich durchaus stolz darauf, dass ich das geschafft habe.

Wie reagiert man als jüngerer Spieler, wenn ein neuer Trainer wie Thomas Doll kommt, der bewusst auf erfahrenere Spieler setzt?

Sebastian Tyrala: Wir haben dann als junge Spieler schon untereinander gesprochen und uns gefragt warum wir überhaupt trainieren, da wir sowieso nicht spielen, auch wenn wir im Training 15 Tore machen würden. So sieht man das als Spieler. Obwohl man sagen muss, dass es für den BVB zu der Zeit nicht gut lief und darum war es dann durchaus normal, dass Thomas Doll auf die erfahrenen Spieler setzte und nicht 18-oder 19-Jährige ins kalte Wasser geworfen hat um dann zu gucken wie es läuft. Es ist natürlich immer das leichteste, zu sagen: Wir setzen auf erfahrene Kräfte. Aber wenn man sieht, wie viele junge Spieler beim BVB jetzt spielen, wie z. B. Kagawa, der international kaum Erfahrung hat und nun die Liga aufmischt oder Mario Götze, dann muss man sagen, Erfahrung ist nicht immer alles. Da braucht man einfach etwas Vertrauen in die jungen Spieler.

Herzlichen Glückwunsch zur Qualifikation Deiner Nationalmannschaft zur EURO 2012. Gibt es Kontakt zu Franciszek Smuda, dem polnischen Nationaltrainer?

Sebastian Tyrala (lacht): Ja, das ist ganz gut, dass wir uns nicht mehr qualifizieren müssen. Vor kurzem habe ich mit ihm telefoniert. Er will sich hier demnächst vor Ort ein Spiel von mir angucken. Ich denke, wenn ich meine Leistung in der zweiten Liga bringe, könnte es eventuell mal reichen, dabei zu sein. Für mich ist wichtig, dass ich hier meine Leistung bringe, mich weiterentwickle und dann vielleicht den nächsten Schritt mache. Klar wäre es schön, wenn ich an der EM 2012 im eigenen Land teilnehmen könnte. Aber das ist eigentlich kein konkretes Ziel von mir.

Mit Deinen 22 Jahren hast Du schon viel erlebt: Den Amateurfußball, den Profifußball beim BVB, langfristige Verletzungen, die Krisenzeit in Dortmund, dann die Aufbruchstimmung, Dein Nationalmannschaftsdebüt, Deinen tollen Einstand bei Osnabrück. Wie wirken sich all diese Erfahrungen aus? Übernimmt man da mehr Verantwortung und wird routinierter, gar distanzierter zum Fußballgeschäft?

Sebastian Tyrala: Ich bin jetzt schon im sechsten Jahr dabei und habe wirklich alles mitgemacht - Höhen und Tiefen. Ich versuche den jungen Spielern bei uns, die gerade aus der Jugend kommen, zu helfen, obwohl ich auch erst 22 bin. Man bekommt nicht nur Hilfe von 30- oder 26-Jährigen. Selbstverständlich sieht man den Fußball dann auch mit anderen Augen. Früher war ich beim Training nervös und spielte zurückhaltender oder hektisch. Damals hat mir Tomas Rosicky sehr geholfen, indem er mir sagte, dass ich ganz ruhig spielen soll, so als ob niemand zuschaut und das führe ich mir immer wieder vor Augen, dass man einfach ruhig bleiben muss und man Fußball spielen kann, auch wenn da 30.000-50.000 Zuschauer sind. Man wird routinierter, weiß mit der Zeit wie das Fußballgeschäft läuft, wie der Trainer tickt und wie man mit Enttäuschungen umgehen muss. Es ist schon wichtig, dass man alles mal erlebt hat. Jetzt kann ich auch damit umgehen, wenn es mal nicht so läuft.

(Fotos) - 19.10.2010

Im dritten und letzten Teil unseres Interviews sprechen wir mit Sebastian Tyrala u.a. über seine ganz persönliche Spielvorbereitung, Schiedsrichter, den Trainer Sebastian Tyrala, seine Zukunft, sowie über Derbys und die Faszination Borussia Dortmund. (Teil III erscheint am morgigen Mittwoch.)

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