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Exklusiv-Interview mit Sebastian Tyrala (I): „Ich habe meine Vorbilder immer nah bei mir gehabt"

Sebastian Tyrala wurde 1988 geboren und wirbelte 12 Jahre lang als Mittelfeldspieler beim BVB - er durchlief die Jugendmannschaften und bestritt in seiner Dortmunder Zeit insgesamt 101 Spiele für die Amateure, 7 Spiele für die Profis sowie 1 A-Ländersiel für Polen. Zur Saison 2010/11 wechselte er ablösefrei zum Zweitliga-Aufsteiger VfL Osnabrück. Die Kirsche traf ihn an seiner neuen Wirkungsstätte zu einem Exklusiv-Interview, welches in drei Teilen veröffentlicht wird. Im ersten Teil unseres Interviews sprechen wir mit Sebastian Tyrala über seinen Wechsel zum VfL Osnabrück, die Unterschiede im Profi- und Amateurbereich sowie über seine Anfangszeit beim BVB.

Sebastian, wir sind hier direkt am Spielfeldrand Deines neuen Wohnzimmers, dem Stadion an der Bremer Brücke. Heute vor genau zwei Monaten, Freitag, 13. August 2010 an dieser Stelle - Du erinnerst Dich?

Sebastian Tyrala (überlegt kurz): Nein, keine Ahnung.

Es war das erste Pflichtspiel der Saison, Flutlicht, Pokalatmosphäre zu Hause gegen Kaiserslautern. Und dann machst Du dieses schöne Tor zum 1:0. War das auch ein Zeichen dafür, dass Du dich schnell und gut eingelebt hast in Osnabrück?

Sebastian Tyrala: Ja auf jeden Fall, die Vorbereitung war richtig gut und die Mannschaft hat mich auch gut aufgenommen. Das war dann ein fantastisches Pokalspiel, zu Hause und unter Flutlicht. Dass ich dann sofort im ersten Spiel auch noch ein Tor schieße war für mich eine tolle Sache, auch wenn wir das Spiel leider verloren haben. So konnte ich gleich zeigen, wo ich hinkommen möchte und was ich kann. Das i-Tüpfelchen wäre es natürlich gewesen, wenn wir eine Runde weiter gekommen wären.

Wie kamst Du zu der Entscheidung, zum VfL Osnabrück zu wechseln?

Sebastian Tyrala: Ich hatte auch ein paar andere Angebote aus der zweiten und dritten Liga. Es war jedoch schon damals atemberaubend wenn wir hier gespielt haben. Ich wollte unbedingt in die zweite Liga. Als dann Osnabrück am drittletzten Spieltag der vergangenen Saison in Dortmund gegen uns gespielt hat und die 8.000 mitgereisten Zuschauer in lila-weiß den Signal-Iduna-Park eigentlich übernommen hatten, da habe ich sofort nach dem Spiel gesagt: Wenn die aufsteigen, dann will ich unbedingt da hin. Ich habe dann auch kurz mit dem Trainer (Karsten Baumann, d. Red.) gesprochen und er sagte: Du bist ein guter Junge, wir telefonieren mal, wenn es so weit ist. Mein Tor in dem Spiel war dann sicherlich ein weiteres Empfehlungsschreiben. So kam dann nach dem Aufstieg eines zum anderen. Osnabrück hat eine junge Mannschaft die dennoch nicht unerfahren ist, dazu super Zuschauer. Hier habe ich gute Chancen zu spielen und mich zu entwickeln, auch wenn es gegen den Abstieg geht. Das ist mir erst mal am wichtigsten und nicht Erfolge wie Aufstiege oder ähnliches.

In Dortmund zu bleiben war keine Option?

Sebastian Tyrala: Mein Vertrag lief aus und für mich war klar, dass ich mir einen neuen Verein suchen muss. Ich hatte tolle Jahre in Dortmund, keine Frage, aber am Ende reichte es mir nicht mehr nur bei den Profis zu trainieren.

Inwiefern unterscheidet sich die tagtägliche Arbeit in einer zweiten Mannschaft von der Arbeit in einer Profimannschaft der ersten oder zweiten Liga?

Sebastian Tyrala: Bei den Trainingsbedingungen gibt es da eigentlich keinen Unterschied, das war bei den Amateuren genauso professionell wie jetzt in Osnabrück. Aber hier merkt man, dass es um mehr geht, die Spieler sind erfahrener, älter, da geht es um die Karriere, um vieles für die Familie. Dementsprechend geht es in jedem Training richtig zur Sache. Bei den Amateuren sind die meisten Spieler sehr jung, da war mehr Spaß angesagt, es ging in erster Linie um die Weiterentwicklung und darum, sich für andere Mannschaften zu empfehlen. Jetzt gilt es, sich zu festigen und den Schritt in die erste oder zweite Liga zu machen.

Wie unterscheiden sich Erwartungshaltungen und Drucksituationen im Profi- und Amateurbereich eines Vereins?

Sebastian Tyrala: Als wir mit den Amateuren in der dritten Liga waren hat keiner erwartet, dass wir drin bleiben, das war nicht so wichtig für den Verein. Da merkt man schon einen Unterschied. Es war am Ende nicht richtig schlimm, dass wir abgestiegen sind, da wir noch eine junge Mannschaft waren und noch viel lernen mussten. Hier hingegen darf man nicht absteigen und muss Erfolg haben. Das ist dann schon eine andere Drucksituation. Beim VfL Osnabrück zählen die Ergebnisse und nicht die Überlegungen wen man wohin verkauft oder ob man einen Spieler weiterentwickeln kann.

Bei den Amateuren warst Du zuletzt ja schon einer der Erfahreneren im Team, während Du nun in Osnabrück zu den Jüngeren gehörst. War das eine Umstellung für Dich?

Sebastian Tyrala: Nein, eine Umstellung nicht. Ich war ja auch relativ früh bei den Profis mit dabei und habe dort trainiert. Da war ich auch schon immer der Jüngste, von daher kannte ich das schon und es war nicht so schlimm. Aber es hat mich geprägt, dass ich hinterher bei den Amateuren mit der Älteste war, Erfahrung hatte und die Mannschaft ein bisschen mitführen konnte. Es ist wichtig, dass man das beibehält. Man darf jetzt nicht sagen: Ich bin einer der Jüngsten in der Mannschaft und bin deshalb ganz ruhig. Ich habe schon fünf Profijahre hinter mir und dadurch so viel Erfahrung, dass ich auch einem 32-Jährigen noch was beibringen kann. Ich denke, Jeder kann von Jedem etwas lernen, da kommt es nicht immer aufs Alter drauf an.

Welche Kindheitserinnerungen an den BVB hast Du?

Sebastian Tyrala: Das schönste an das ich mich erinnern kann war ein Champions League-Spiel gegen Real Madrid bei dem wir als Balljungen dabei waren. Dass ich nach dem Spiel Ronaldo und Roberto Carlos die Hand geben durfte, das war damals ein besonderes Erlebnis.

Bist Du auch als Kind schon ins Stadion gegangen?

Sebastian Tyrala: Auf jeden Fall. Ich stand einige Male auf der Südtribne. Dortmund lag natürlich nahe, das ist direkt bei uns um die Ecke, da kommt man nicht drum herum. Ich bin froh, dass mich mein Vater nicht weiter gefahren hat nach Schalke.

Welches Spielerposter hing in den 90er Jahren in Sebastian Tyralas Zimmer?

Sebastian Tyrala: Ich war und bin ein großer Fan von Tomas Rosicky. Das war ein Traum für mich, dass ich mit ihm noch zusammenspielen durfte. Ihn hatte ich früher als Spieler immer vor Augen, ich wollte so spielen wie er. Lars Ricken ist ein weiteres Vorbild, ein großartiger Fußballer. Dass ich mit ihm bei den Amateuren noch zusammen spielen konnte war einfach wunderbar. Ich habe also meine Vorbilder immer nah bei mir gehabt, das war schon eine tolle Zeit.

Wann hast Du gemerkt: Hey, ich werde Fußballer?

Sebastian Tyrala: Als mich mein Vater im Alter von sechs Jahren beim BV Bad Sassendorf zum Fußball anmeldete, hatte ich bis dahin nichts mit Fußball am Hut. Dort lief es dann ganz gut und ich habe als Kind schon viele Tore geschossen. Aber ich hätte jetzt nicht gedacht, dass ich mal ganz nach oben komme. So ehrgeizig wie mein Vater war, meldete er mich dann beim ?Tag der Talente? des BVB an und fuhr mit mir dahin. Ich wusste gar nicht, was das genau ist. Kurz danach bekam ich einen Anruf, ob ich nicht zum Probetraining kommen will. Die waren total begeistert und haben mich sofort genommen. Aber mit 11, 12 Jahren denkt man noch nicht an die große Karriere. Das ist dann einfach ein schönes Gefühl, dass man bei Borussia Dortmund spielt. So nach und nach merkt man dann, dass es interessanter wird bspw. durch die U-Nationalmannschaften usw. Da wusste man schon: Es kann ganz nach oben gehen.

Während Deiner Jugendzeit gab es vermutlich viele lange Autofahrten zwischen Bad Sassendorf und Dortmund?

Sebastian Tyrala: In den ersten Jahren hat mich mein Vater immer gefahren. Das ist natürlich auch nicht alltäglich jedes mal 70 Kilometer zu fahren. Ich hatte ein ganz enges Verhältnis mit meinem Vater und meine Familie hat mich da sehr unterstützt. In den letzten zwei Jahren bei den Jugendmannschaften wurde ich dann abgeholt bzw. bin nach Dortmund gezogen.

Hast Du auch im Jugendhaus des BVB gelebt?

Sebastian Tyrala: Da war ich als 16-Jähriger ein Jahr lang.

Ist es dort denn noch so wie man es im Film ?Die Champions" ein paar Jahre zuvor gesehen hatte?

Sebastian Tyrala: Ich glaube es hat sich jetzt etwas verändert, früher war es nicht so streng, da hatten wir viel Freizeit und haben das eine oder andere gemacht was man eigentlich nicht machen sollte, mal auf eine Party gehen oder einfach nur rausgehen. Das war schon ganz interessant mit zwölf anderen Jugendspielern zusammen zu leben und gemeinsam zur Schule zu gehen. Es ist aber auch nicht so einfach, wenn man das erste mal von zu Hause weg ist.

Wie waren denn die Derbys im Jugendfußball - ist dort die Rivalität auch schon ausgeprägt?

Sebastian Tyrala: Genauso wie bei den Profis ist auch in der Jugend die Rivalität zwischen den Spielern nicht so vorhanden wie bei den Fans. Aber es ist natürlich ein besonderes Spiel und wichtig das zu gewinnen. Auch für einen selbst, damit man mit einem Lächeln vom Platz gehen kann.

Du wurdest ja als Jugendspieler mehrfach ausgezeichnet (Sportler des Jahres in Soest, Fritz-Walter-Medaille in Bronze). Gab es danach eine erhöhte Aufmerksamkeit Dir gegenüber oder war das einfach nur eine schöne Anerkennung Deiner Leistung?

Sebastian Tyrala: Natürlich war es in erster Linie eine schöne Geschichte. Die Fritz-Walter-Medaille hat mich ganz besonders gefreut. Drittbester Spieler in meinem Jahrgang zu sein, das war was ganz tolles. Es hatte aber auch Auswirkungen: Ich wurde bekannter und das Ganze hat zum Erfolg in der Nationalmannschaft beigetragen. Auf die Medaille bin ich auch immer noch stolz, vor allem wenn man überlegt wie viele gute Spieler es in diesem Jahrgang gibt.

Wie war das denn für Dich als Jugendlicher: Hattest Du immer Lust auf den Fußball, das Training und das Drumherum?

Sebastian Tyrala: Es gab Zeiten, da hatte ich keine Lust mehr. Wenn man häufig keine Zeit für seine Freunde hat, da man drei bis vier mal in der Woche nach der Schule zum Training muss, erst Abends zu Hause ist und am Wochenende auch eigentlich immer unterwegs ist, verliert man als 13-, 14-Jähriger schon mal die Lust auf den Fußball und das Training. Dazu die weiten Anfahrten, immer eine Stunde hin und eine Stunde zurück. Als ich mit 15, 16 Jahren jedoch merkte, dass es zu mehr reichen könnte ging es besser. Ich bin froh, dass ich das so durchgezogen habe, auch wenn ich viel investieren musste. Viele Freundschaften und Verabredungen konnte man dann halt nicht pflegen. Dafür hat man viele andere Dinge kennen gelernt, die nicht Jeder haben kann.

Und ein paar Jahre später als junger Erwachsener, hattest Du da das Gefühl, dass Du irgendetwas vom Leben verpasst hast?

Sebastian Tyrala: Bestimmt habe ich einiges verpasst. Später gab es dann noch weniger Zeit für Freundschaften. Es ist auch nicht so, dass ich sagen kann: Ich habe hier einen besten Freund und da einen besten Freund oder ich mache täglich was mit denen. Das geht eben nicht, da man ständig woanders ist. Aber ich möchte das nicht umdrehen und trauere dem nicht nach.

Wie haben eigentlich die älteren Spieler auf Dich reagiert, als Du dann mit 16 Jahren erstmals mit den Profis trainieren durftest und wie hast Du das erste Training erlebt?

Sebastian Tyrala: Ich erinnere mich noch genau daran, als ich bei Michael Zorc war und meinen Vertrag unterschrieben habe. Das ist ja nicht alltäglich mit 16 Jahren den ersten Profivertrag zu erhalten. Beim ersten Training war ich dann schon sehr zurückhaltend bei den ganzen Top-Profis die man bis dahin nur aus dem Fernsehen kannte, das war schon was außergewöhnliches. Als wir damals in die Kabine gekommen sind saßen da schon ein paar ältere Spieler und dachten sicherlich erst mal: Wer ist das denn? Spieler wie Kehl, Metzelder oder auch Rosicky haben mir dann Anfangs viele Tipps gegeben, was ich im Training besser machen kann. Das fand ich schon bemerkenswert. Und wenn man jetzt sieht dass Nuri, der mit mir im selben Jahr hoch gekommen ist, wirklich Stammspieler ist und alles so richtig mitgenommen hat, dann ist das sehr beachtlich. Auch wenn manche sagen, dass das vielleicht alles zu früh war. Nuri ist jetzt einer der besten Spieler der Bundesliga, also denke ich nicht, dass das zu schnell ging. Es war für uns was Großes, was Tolles. Ich habe noch Fotos von damals zu Hause, da sehe ich aus wie ein Kleiner der bei den ganz Großen ist.

Gab es denn auch Spieler die Dich erst mal kritisch und skeptisch betrachtet haben?

Sebastian Tyrala: Wenn dann so, dass ich es nicht mitbekommen habe. Nein, die waren alle wirklich nett. Das ist ja im Profifußball auch normal. Konkurrenzkampf ist zwar immer da, aber trotzdem kann man ganz normal miteinander leben. Da gönnt eigentlich jeder dem anderen was. Gerade bei den jüngeren Spielern denken die älteren Spieler doch dass die ihnen nicht gefährlich werden können und helfen einem daher eher.

(Fotos) - 18.10.2010

Im zweiten Teil unseres Interviews sprechen wir mit Sebastian Tyrala u.a. über seinen Aufstieg, über seine schweren Verletzungen und Rückschläge, über Dortmunder Jungs und über die Nationalmannschaft. (Zum zweiten Teil des Interviews geht es hier.)

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