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Interview mit BVB-Sportdirektor Michael Zorc (I): Der Begriff 'Klopp-Effekt’ ist dummes Zeug

Herzlichen Glückwunsch - sie sind dienstältester Manager der Liga! Was bedeutet ihnen dieses "Prädikat"?

Michael Zorc: Das werte ich nicht als besondere Auszeichnung. Wichtiger ist, dass es sowohl beim Verein als auch bei mir eine gewisse Nachhaltigkeit zeigt. Wir haben schwierige Jahre hinter uns gebracht, aber speziell in den letzten zwei, drei Jahren bewiesen, dass wir auf dem richtigen Weg und personell in allen Bereichen gut aufgestellt sind. Wir haben eine Mannschaft mit sehr guten Perspektiven, vor dem Blick in die Zukunft muss uns nicht bange sein.

Was macht Sie so zuversichtlich?

Michael Zorc: Wir haben viele junge Spieler dazubekommen und weiterentwickelt, die nicht nur richtig gut Fußball spielen können, sondern viel Engagement haben, über den Tellerrand hinausblicken und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Das war besonders in der letzten Saison sehr wichtig, als unser Kapitän nahezu die gesamte Spielzeit verletzungsbedingt ausfiel. Da konnte man sehen, das passt einfach.

Heute würde niemand mehr sagen, "wenn Herr Zorc aufsteht, habe ich schon lange gefrühstückt". Was haben Sie gedacht, als der Urheber dieses Zitats (Ex-Bayern-Manager Uli Hoeneß/Die Red.) plötzlich seine Kampfkandidatur gegen Reinhard Rauball an der DFL-Spitze ankündigte - und was, als er sie genauso plötzlich zurückzog?

Michael Zorc: Mich hat beides überrascht. Weil wir davon überzeugt sind - und ich glaube, das gilt für die Mehrheit der Liga -, dass Reinhard Rauball einen exzellenten Job macht. Dass Hoeneß bereits nach wenigen Tagen die Kandidatur zurückgezogen hat, ist verwunderlich. Vielleicht ist bei ihm aber auch nur die Erkenntnis gereift, dass er die nötige Stimmenmehrheit nicht erreichen würde.

Zurück zu Ihnen: Was war das persönliche Highlight der Amtszeit, was die größte Enttäuschung?

Die Erwartungshaltung kriegst du in Dortmund nicht künstlich gedrückt

Michael Zorc: Schwer zu sagen, es verlief ja sehr wellenförmig. Anfangs sehr positiv mit einer Deutschen Meisterschaft und dem Europapokalfinale, das wir in Rotterdam leider auswärts bestreiten mussten und verloren haben. Das war ziemliches Pech, muss man sagen. Danach kam die wirtschaftlich schwierige Phase, als der Verein um seine Existenz kämpfte. Anschließend die Konsolidierung mit der Erschwernis der Erwartungshaltung - die kriegst du nämlich in Dortmund nicht künstlich gedrückt. Das ist eben der ?Fluch der Vergangenheit?, der sich seit den 90er Jahren aufgebaut hat. Ich glaube allerdings, dass wir es in der Gesamtbetrachtung ganz gut hingekriegt haben.

Haben Sie eine Vorstellung, wie viele Spieler unter Ihrer Regie transferiert wurden?

Michael Zorc: Nein, das habe ich noch nie ausgewertet. So eine Zahl hat auch keine Bedeutung, ich glaube, im Bundesligaschnitt wäre sie bei uns weder besonders hoch noch auffallend klein.

Gab es so etwas wie einen "Lieblingstransfer"?

Michael Zorc: Es gab mehrere, die richtig Spaß gemacht haben. Bei denen man sich hinterher sagt, gut dass wir das auch gegen Widerstände durchgesetzt haben. Aber ich möchte keinen herausstellen, und ich möchte auch keinen nennen, bei dem ich vielleicht besonders daneben gelegen habe. Ohnehin haben das die Kritiker schon längst für mich getan?

Nicht doch einen Namen?

Einwurf Josef Schneck: Dein erster Transfer, Michael, der Dich immerhin während der gesamten Karriere als Manager begleitet!



Michael Zorc: Dede, ja. Das war damals meine erste Dienstreise. Ich bin nach Brasilien geflogen, habe in Belo Horizonte das Spiel geschaut. Als wir beim Abendessen saßen, wartete Dede ständig darauf, dass ich sage: "Das machen wir jetzt!" Ich hatte wirklich Mühe, ihn zu überzeugen, dass wir beide noch eine Nacht über diese Entscheidung schlafen sollten. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern, er war ja noch ein ganz junger Bursche. Insofern tut das ein bisschen weh im Moment - es ist einfach schade, dass er soviel Verletzungspech hat. Somit herrscht im Konkurrenzkampf zwischen ihm und Marcel Schmelzer - der eine überragende Entwicklung genommen hat - keine Waffengleichheit.

Was war Ihr größter Transfer ? ein Spieler oder Jürgen Klopp?

Michael Zorc: Die Spieler laufen ja immer nur mit dem richtigen Trainer. Im Ernst: Jürgen Klopp ist ein Glücksfall für Borussia Dortmund. Er hat Schwung hereingebracht, er kann Leute euphorisieren, er kann ein ganzes Umfeld positiv beeinflussen. Das hat uns unwahrscheinlich geholfen. Neben der Tatsache, die in der öffentlichen Darstellung oft viel kurz kommt, dass er ein hervorragender Fußballtrainer und -lehrer ist. Insofern ist der Begriff ?Klopp-Effekt? dummes Zeug, den gibt es nicht. Er hat schon in Mainz bewiesen, dass er nachhaltig arbeitet. Dass er über viele Jahre im gleichen Umfeld mit den gleichen Leuten arbeiten kann, ohne dass es zu größeren Verschleißerscheinungen kommt. Wenn man es so bezeichnen möchte, war das sicher mit die wichtigste Personalentscheidung

Ein zweifelsfrei hervorragender Transfer war der von Lucas Barrios...

Michael Zorc: Tja, Lucas Barrios. Die meisten lachen bei der Bekanntgabe, dass da ein 'no name? aus Chile kommt, der in seinem Heimatland Argentinien nicht sonderlich erfolgreich war. Und der soll dir a) Alex Frei ersetzen und b) uns auch noch nach vorne schießen. Dass er meiner Meinung nach beide Aufgaben übererfüllt hat, sehe ich schon mit Freude und auch einer gewissen Genugtuung.

Empfinden Sie Neid auf die Kollegen, die mit der Schubkarre voller Euro durch die Welt ziehen und beim Einkaufen aus dem Vollen schöpfen können?

Vereine mit einem kleinem Werk hinterm Trainingsgelände

Michael Zorc: Nein. Abgesehen von denen mit einem kleinen Werk hinterm Trainingsgelände sind es ja auch nicht mehr so viele im Moment. So gefällt mir das viel besser, wenn man mit klar definierten Rahmenbedingungen arbeiten kann. Und auch wirklich versuchen kann, etwas längerfristig einzustielen. Natürlich ist es manchmal ein Nachteil, wenn du etwas nicht oder zu gewissen Zeiten nicht umsetzen kannst. Weil zu einem Zeitpunkt X Geld nicht da war, das vier Monate später doch zur Verfügung stand, weil ein Verkauf geklappt hat oder eine Qualifikation erreicht wurde. Diese Problematik haben einige Kollegen natürlich nicht. Aber diese Konstellation ist klar umrissen und greifbar für mich, deshalb ist es absolut in Ordnung. Einfach im Nebel rumstochern und sagen, den nehme ich und den und den auch noch, als gäbe es das Wort Budget gar nicht, das ist nicht mein Ding. Wichtig ist nur - und das möchte ich ausdrücklich nicht als Ausrede missverstanden wissen - dass man auch darauf hinweisen darf, wie die Rahmenbedingungen sind und dass wir dort Nachholbedarf haben. Und dass es wichtig für uns ist, diese Lücke zu den Vereinen um uns herum, wenigstens zu verkleinern.

Zum Sportlichen: Was können die Neuen, die ihr für diese Saison geholt habt?

Michael Zorc: Fangen wir mit dem Torwart an. Langerak hatten wir seit dem Frühjahr auf dem Zettel, allerdings eher mittelfristig. Dass wir ihn schon jetzt geholt haben, liegt daran, dass Marc Ziegler um seine Freigabe aus familiären Gründen gebeten hat, was ich einem älteren und verdienten Spieler nicht verweigern mochte. Deswegen haben wir zugestimmt und Langerak geholt: er stellt jetzt schon eine sehr gute Nummer Zwei dar, ist sehr lernwillig und hat prima Perspektiven. Lukas Piszczek ist als Alternative zu Patrick Owomoyela geplant. Er hat schon in der Bundesliga und international Rechtsverteidiger gespielt. Die Lösung hat den Charme, dass er noch auf anderen Positionen eingesetzt werden kann, zum Beispiel hinten links. Oder als gelernter Offensivspieler auch mal ganz wo anders. Ein Allrounder, der jeder Mannschaft gut zu Gesicht steht.

, Fotos: ; 16. August 2010

Im zweiten Teil unseres Interviews sprechen wir mit Michael Zorc über die Neuzugänge in der Offensive, über die Neu-Profis aus der eigenen Jugend, über Fernsehgelder und die WM.

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