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ZEIT-Konferenz Fußball & Wirtschaft - Teil 2

Im ersten Teil haben wir euch von der Marke Oliver Kahn, albanischen Pritschenhotels und dem internationalen Erfolg deutscher Mannschaften berichtet. Im zweiten Teil unseres Berichtes von der ZEIT-Konferenz Fußball & Wirtschaft geht es um 50+1 Diskussionen, die finanzielle Lage der Bundesligisten, emotionale Saisonhöhepunkte und um ein Saisonfazit.

Nachdem die sportliche Entwicklung der Bundesligisten gelobt wurde, ging es nun um die Finanzen. Hier merkte Herr Peters an, dass der Turnhallen-Verein aus Gelsenkirchen seine hohen Kosten nicht unbedingt Transfersummen zu verdanken hat, sondern ihn Vertragsverlängerungen oftmals teurer zu stehen kommen als Ablösesummen. Keine Neuigkeit war seine Feststellung, dass die Finanzierung ihrer Eventhalle sich negativ auf der Passivseite der Bilanzen niederschlug.

Jetzt schlug Martins Kind Stunde ? besser gesagt: Minute. Nachdem er sich über die negativen Auswirkungen der Finanzkrise auf die Umsätze von Hannover 96 beklagte, vertrat er die Meinung, dass die Bundesliga strukturell bei weitem nicht so gut aufgestellt sei, wie es öffentlich dargestellt wird. Noch sprach er das böse Wort nicht aus, doch alle im Raum wussten: Mit den schlechten Strukturen meinte er die 50+1-Regelung.

Aki Watzke war hier anderer Meinung. Denn die Ausgabenseite der Vereine würde sich immer der Einnahmenseite anpassen, dies funktioniere in der Bundesliga gut. Ebenso sei die Zahlungsmoral innerhalb der Bundesliga wesentlich besser als woanders. Als Beispiel hierfür nannte er den Transfer eines Dortmunder Spielers im Jahre 2006 nach Spanien, für den der BVB erst jetzt, unter Einsetzung mehrerer Juristen, die letzte Zahlungsrate erhalten habe. Gemeint war wohl der Transfer von David Odonkor. Watzke vertrat auch in dieser Diskussion wie erwartet die konsequente und nüchterne kaufmännische Devise: Man gibt nur das aus, was man einnimmt. Dies rief wiederum seinen Kollegen, Schuldenverwalter Peter Peters auf den Plan, der sich bemüßigt sah, die finanziellen Risiken des blauen Pleitevereins zu verteidigen: Sie seien davon überzeugt, alles richtig gemacht zu haben, auch, dass man bestimmte Spieler nicht verkauft habe.

Herr Kind durfte nun endlich gegen die 50+1-Regelung wettern und zum wiederholten Male darlegen, warum er sie abschaffen, oder wie er es nannte ?modifizieren?, will. Seiner Meinung nach ist die Bundesliga eine Drei- oder gar Vier-Klassengesellschaft in der immer wieder dieselben Vereine um die Meisterschaft spielen würden. Der einzige Top-Club im deutschen Oberhaus ? auch finanziell ? sei Bayern München. Hannover 96 hingegen könne gerade mal 50% seiner Umsätze für den Spieleretat einsetzen (25 von 50 Mio. Euro). Diesen Anteil will er über eine Erhöhung des Eigenkapitals vergrößern. Deshalb sei 50+1 zu ?modifizieren?. Dieses Eingangsstatement zur Thematik bildete einen schönen Steilpass für Aki Watzke und die meisten anderen. Watzke konnte gewohnt souverän und sachlich darlegen, dass gerade in anderen Ligen, welche keine 50+1-Regelung haben und durch Eigentümer dominiert sind, so wie es Herr Kind herbeisehnt, ebenfalls Zwei- oder Drei-Klassengesellschaften existieren. Dann ein Seitenhieb: Das Finanzvolumen eines Vereins sei bei weitem nicht alles, schließlich habe Hannover 96 einen doppelt so hohen Etat wie Mainz 05, dennoch sei der FSV deutlich vor Hannover gelandet in dieser Saison ? trotz halbem Etat.

Der Borussen-Boss konterte zudem Kinds gern angeführte These, dass Hannover so viel schlechtere Rahmenbedingungen habe: Keineswegs sei Hannover strukturell schlechter aufgestellt als Dortmund. Gerade als Landeshauptstadt eines großen Flächenlandes habe Hannover mindestens genauso gute Voraussetzungen wie Dortmund. Kicker-Herausgeber Rainer Holzschuh bekräftigte Watzkes These und ging sogar noch weiter: In Ländern wie England seien die strukturellen Unterschiede innerhalb der Liga viel schlechter: Hier dominieren immer dieselben 3-4 Vereine das Geschehen. Holzschuh entlarvte Kinds Forderungen nach Abschaffung der 50+1 Regelung um eine Chancengleichheit herzustellen damit, dass dann wiederum jene Vereine die größten und dicksten Fische ?rein investorentechnisch gesehen- an Land ziehen würden, die auch strukturell im Vorteil sind, also die sog. großen Vereine.
Insofern bliebe alles beim Alten. Watzke ergänzte, dass, wenn man den Investoren sämtliche Türen öffnet, Leute wie Florian Homm, der seinerzeit beim BVB Großaktionär war und heute per internationalem Haftbefehl gesucht wird, die Vereine bedrohen. Kind wies lapidar darauf hin, dass bezüglich seines Ziels 50+1 abzuschaffen, ja nun die Gerichte entscheiden würden. Kein wirklich inhaltliches Argument. Der Wirtschaftsvertreter unterstützte natürlich Kinds Idee, die Abschaffung der 50+1 Regelung würde er begrüßen. Eine Gerichtsentscheidung könne jedoch am Ende ein Urteil hervorrufen, das keinem passe und nur schade. Deshalb solle doch die DFL dem Vorschlag von Herrn Kind folgen. Im später folgenden 3. Plenum ging Heribert Bruchhagen (Vorstandsvorsitzender Eintracht Frankfurt) auch auf diesen Punkt ein und konterte diese Argumentation mit dem Hinweis auf den mit 35:1 Stimmen gefassten DFL-Beschluss durch die Vereinsvertreter der 1. Und 2. Liga, die ja nun auch nicht völlig ahnungslos seien.

Bei all den wirtschaftlichen Betrachtungsweisen und technischen Modernisierungen im Fußball wurde nun die Frage aufgeworfen, was denn der unverrückbare Kern des Fußballs sei. Hier bildete sich schnell die Meinung heraus, dass dies vor allem das Emotionale sei, das womit sich die Fans identifizieren. Der Fußball sei ein Kulturgut, bei dem man diese Emotionalität verinnerlichen müsse, so Watzke, was freilich schwieriger verständlich sei, wenn man als Verein bspw. eine solche Nähe zu Herrn Winterkorn habe. Borussias Geschäftsführer äußerte sein völliges Unverständnis darüber, warum mancher Verein seine Trikotfarben ändert und so der eigenen Marke schadet. So etwas würde es beim BVB, solange er etwas zu sagen habe, niemals geben. Als Beispiel für identitätsstiftende Persönlichkeiten lobte er aufgrund seines Auftretens und seiner engen Verbundenheit zum BVB, Kevin Großkreutz, der ?ein Geschenk für die Marke BVB? sei. Bezüglich der Identifikation mit der Bundesliga im Ausland habe man jedoch jahrelang geschlafen, kritisierte Holzschuh. Erst jetzt würde die DFL die Auslandsvermarktung bspw. in Asien ernst nehmen und deren Potenzial erkennen.



Trotz aller Skandale und Schwierigkeiten die den Fußball seit jeher begleiten, bliebe die ?wichtigste Person im Stadion? (Moderator und ZEIT-Redakteur Kammertöns), der Fan, dem Fußball treu und immer mehr Leute werden in Deutschland vom Fußball in die Stadien gezogen, anders als in einigen anderen Ländern. Zudem stellte die Runde fest, dass der Fußball in der Öffentlichkeit immer schnelllebiger werde ? nur noch der Augenblick zähle. Es würden kaum noch mittelfristige Entwicklungen betrachtet oder abgewartet. Man hetze von Woche zu Woche und zwischen zwei Spielen treibt die Öffentlichkeit die Vereine vor sich her.

Bei der letzten Frage in die Runde, welches denn der persönliche emotionale Saisonhöhepunkt gewesen sei, berichtete Aki Watzke gleich von zwei Höhepunkten: Zum einen sei dies der vorletzte Spieltag gewesen, als die Mannschaft die von außen aufoktroyierte Champions-League-Qualifikation verpasste und sehr enttäuscht war, die Fans sie jedoch eine halbe Stunde lang nach dem Spielende feierte und wieder aufbaute. Zudem sei für ihn das 3. Tor von Barrios in Nürnberg sehr erlösend gewesen, als für Watzke klar wurde, dass man nun die Europa-League erreicht habe.

Zum Abschluss der Konferenz gab es dann noch ein drittes Plenum zum Thema Sportsponsoring, welches wir hier jedoch außer Betracht lassen.

Abschließend kann man sagen, dass diese Konferenz nach eher verhaltenem Beginn doch noch höchst interessant wurde, auch wenn sie nicht unbedingt völlig neue Erkenntnisse brachte, verdeutlichte sie doch die unterschiedlichen Meinungen die es in der Verbindung Fußball & Wirtschaft zu vereinen gilt und dass dies nur selten unproblematisch ist. Schade war, dass diese Veranstaltung vornehmlich an Wirtschaftsakteure gerichtet war. Der so bezeichnete wichtigste Akteur im Stadion, nämlich der Fan, wurde hier dank üppiger Teilnahmegebühren von schlanken 654,- ? (inkl. An- und Abreise in der 1. Klasse eines ICE) von vorneherein ausgesperrt. Schade. Aber zeigt sich nicht gerade hier, wie sich der Fußball hin zu einer reinen Wirtschaftsware entwickelt hat und der Fan nur noch als schmückendes Beiwerk gilt, welcher nicht mitreden soll? Es hatte zumindest den Anschein, dass man bei dieser Konferenz lieber unter sich bleiben wollte und wohlig über statt mit der ?wichtigsten Person im Stadion? diskutieren wollte.

Zum Abschluss haben wir noch exklusiv für die Leser der Kirsche ein BVB-Saisonfazit von Kicker-Herausgeber Rainer Holzschuh sowie ein Kurzinterview mit Aki Watzke im Anschluss an die Konferenz eingeholt.

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, 22.05.2010

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