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Wer sich verteidigt, klagt sich an

K o m m e n t a r

Als Fußballanhänger bin ich total altmodisch (und schreibe deswegen auch nicht old-school). Ein Stadion ist für mich ein Stadion, bestenfalls eine "Hütte", aber ganz sicher keine "Arena", denn dazu bräuchte es noch ein paar Panther, Gladiatoren und Senatoren. Ein Spiel ist ein Spiel, vielleicht auch ein Match, aber sicher kein "Event", schon deswegen nicht, weil glücklicherweise weder Howard Carpendale, noch Oliver Pocher oder gar Thomas Gottschalk auftreten. Ein Fan ist demzufolge ein Fan, ein Anhänger oder, in Wolfsburg oder Leverkusen, von mir aus auch ein Stadionbesucher. Die Tätigkeiten, die ein Fan ausübt, nennt man, in dieser Reihenfolge: Pilgern, Anfeuern, Jubeln und dritte Halbzeit bis zum Abwinken. So war es immer, so wird es immer sein. Dachte ich.

Ultras, Hooligans oder einfach nur Spinner?

Ultras, Hooligans oder einfach nur Spinner?

Dachte ich, bis irgendwann in den Neunzigern das Wort "Ultras" auftauchte. Bis dahin kannte man dieses Wort vor allem aus der Werbung; da gab es Ultra-Waschkraft, Ultra-Sensitives und Ultra-Großes. Ich fragte mich natürlich, was denn nun so ultra an den Ultras im Stadion ist? Gut, ich habe ziemlich schnell rausbekommen, daß der Begriff aus Italienischen herübergeschwappt war, daß es um totale Hingabe an den Verein und maximale Unterstützung, nee, scusi: um "Support" geht. Ich hatte auch noch genug vom Englischunterricht behalten, um zu wissen, daß "support" im Englischen eben "Unterstützung" heißt, und fragte mich, was denn mehr als die auch früher schon üblichen, neunzig Minuten währenden Gesänge, die riesigen Fahnen und der frenetische Jubel nach einem Tor noch, also "ultra", wörtlich: "darüberhinaus" möglich sei.

Seit dem vergangenen Spieltag nun endlich weiß ich es. Es sind Dummheit, Selbstverliebtheit und Aufmerksamkeitshascherei, die den Ultra vom Fan unterscheiden. Nicht immer, aber....

Da spielen zwei schwarz-rote Mannschaften im Waldstadion (ich habe wirklich keine Ahnung, wie die Hütte heute heißt) gegeneinander und im dichtgedrängten Block der fränkischen Auswärtsfans zünden ein paar Hirnverschonte Feuerwerkskörper, die dann auch noch aufs Spielfeld geworfen werden. Nein, das ist keine "Pyro" mit "Bengalos", das ist eindeutig "versuchte schwere Körperverletzung in einem besonders gravierenden Fall". Damit steht das Spiel natürlich kurz vor dem Abbruch, und nur der Besonnenheit des Schiedsrichterteams ist es zu verdanken, daß wir nicht wieder einen Gewaltskandal größten Ausmaßes in Deutschland haben. Soviel zur gnadenlosen Dummheit.

Hirnverbrannter Unsinn: Bengalos auf dem Spielfeld

Hirnverbrannter Unsinn: Bengalos auf dem Spielfeld

Nun weiß man ja spätestens seit Lothar Matthäus, daß der durchschnittliche Franke in den mitteleuropäischen Kulturtechniken etwas weiter zurückgeblieben ist, als andere Volksstämme, und man könnte, nach heftigem Kopfschütteln und einer hoffentlich ebenso heftigen Strafe durch den DFB wieder zur Tagesordnung übergehen, wäre da nicht noch ein Interview mit dem sogenannten "Sicherheitschef" des FCN in der Frankfurter Allgemeinen. Man sollte ja glauben, daß ein "Sicherheitschef", dessen "Schutzbefohlene" einen derartigen Krawall anzetteln, entweder in Sack und Asche geht, oder gleich wegen erwiesener Unfähigkeit zurücktritt. Aber nix da - dieser Huber (ja, ja, Franken gehört doch zu Bayern, is scho recht), verteidigt nicht nur sich, sondern auch die Straftäter. Ich habe es nicht glauben wollen, als ich den Grund, den Herr Huber für diesen Gewaltexzess gefunden hat, nachlesen mußte: "Man muss wissen, dass die Ultra-Gruppierungen von Frankfurt und Nürnberg sich nicht so gut riechen können ..."

Jo, da schaugt's her, dann iss ja eh' kloar, dassma hoit die Franggfodder ozinnde miassn, oder was jetzt? Aber es reicht noch nicht, natürlich nicht. Schließlich wird man ja von Vereinsseite gegen diese Irren vorgehen, und der "Sicherheitschef" hat ja bestimmt auch schon ein Konzept dafür, oder? Hat er, keine Sorge, hat er. Es lautet wie folgt: "Wir müssen weiter sensibilisieren, und zwar in alle Richtungen. Bei jeder Uefa-Cup-Übertragung, die ich im Fernsehen sehe, werden die Bengaloträger, die ja gerade im Ausland noch viel verbreiteter sind, groß ins Bild gerückt. Warum müssen wir das zeigen mit tollen roten Bildern?"

Stimmt eigentlich, es wäre sicher hilfreich, wenn man die TV-Anstalten dafür sensibilisieren könnte, sich nicht mehr mit dem Thema zu beschäftigen, denn erstens würde der Verein in der Öffentlichkeit nicht so schlecht dastehen, und zum zweiten ist ja allgemein bekannt, daß es gerade diese fiesen Kameraleute und hinterhältigen Kabelträger von SAT.1 sind, die die meisten Feuerwerkskörper zünden, nur um ihre Übertragung interessanter zu machen. Auch da muß etwas getan werden! Dann kann man getrost darauf verzichten, die Typen, die einem bei der Verkündung eines Stadionverbotes womöglich auch noch auf's Näschen tupfen, mit irgendwelchen Ermahnungen zu langweilen, oder gar, wie es eigentlich Bürgerpflicht wäre, bei der Strafverfolgung zu helfen. Zeigt keine Bilder, dann ist die Sache auch nicht passiert. So einfach ist die Welt - wenn man sie von der alten Noris aus betrachtet.

Aber auch ein Huber (und ich würde diesen Deppen dafür bedingungslos sogar zum Oberhuber befördern) hat seine ehrlichen Momente. Einer dieser Momente trat ein, als er eine Charakteristik "seiner" Ultras gab. Auf die Frage, ob nicht die auf die Straftat folgenden Auseinandersetzungen im Nürnberger Block darauf hinwiesen, daß es auch unter den Franken vielleicht noch den einen oder anderen Vollsinnigen gäbe, wehrte dieser Vereinsfunktionär mit folgenden Worten ab: "Nein, nein. Ich glaube, das war eher eine kleine Show von den Jungs. Die wissen schon, dass sie vor den Kameras stehen und gefilmt werden"



Damit gibt Herr Huber zu, daß zumindest die Nürnberger Ultras in ihrer Gesamtheit gewaltbereit und somit zu verbieten sind, daß sie den Intelligenzquotienten von Kartoffelsalat nicht ganz erreichen, und daß sie der Verein, dem sie sich angeblich doch so sehr verschrieben haben, einen gepflegten Dreck interessiert, daß es ihnen nur um Selbstdarstellung, möglichst vor laufender Kamera, geht. Ich hätte nie geglaubt, daß ich mein Vorurteil gegenüber dieser Form aufdringlicher Minderbemittelter so klar und eindeutig aus berufenem Munde bestätigt würde finden können. Wenigstens dafür ist Herrn Huber zu danken, und seine Sätze sind, in Stein gemeißelt, am Frankenstadion (nein, ich weiß auch nicht, nach welcher Bank diese Bude benannt ist) anzubringen.

Falls Platzmangel herrschen sollte, empfehle ich eine Kurzversion: "Der ruhmreiche 1. FC Nürnberg hat die dümmsten, rohesten und verachtenswertesten Fans Deutschlands! Sie heißen FCN-Ultras."

, 08.04.2008

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