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Die Seele verkauft

Kommentar

Nun also wieder Leo Kirch. Der 80-jährige ?Medienmogul?, der vor Jahren dem deutschen Profifußball mit seiner Pleite die bisher schwerste finanzielle Krise bescherte, ausgerechnet er soll ihr nun mehr Geld in die Kassen spülen. Mithalten wollen sie zwischen Alpen und Ostsee mit den ganz Großen in Europa. Dafür legen sie sich notfalls wieder mit dem Teufel ins Bett. Standhaft blieb am Dienstag nach einer mehr als sechsstündigen Debatte nur einer: Bernd Hoffman vom Hamburger SV hat offensichtlich weder ein nicht funktionierendes Kurzzeitgedächtnis noch die Kaltschnäuzigkeit ausnahmslos aller anderen Manager und Vereinsfunktionäre, wenn es darum geht, bedenkenlos Geld über TV-Rechte einzusammeln.

Traurig, aber wahr auch aus Sicht von Fans und Freunden des BVB: DFL- und BVB-Prasident Reinhard Rauball hat gemeinsam mit dem durch seine Kirchvergangenheit eigentlich schwer belasteten DFL-Geschäftsführer Christian Seifert die Vertreter der Ligavereine auf den Deal eingeschworen. Verkauft worden sind einmal mehr die Interessen von Fußballfans ? nicht nur in den Stadien ? und vor allem Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft: Profi-Fußball ist endgültig zur privaten Zone der Vereine erklärt worden, der sich die Zuschauer bedingungslos auszuliefern haben. Fußballberichterstattung im Fernsehen wird in einer zum Himmel stinkenden Kumpanei von Kirch und DFL gleichgeschaltet.

Beschlossen wurde am Dienstag nämlich folgendes: Die Leo Kirch gehörende Agentur Sirius vermarktet den Profifußball für sechs Jahre ab der Saison 2009/2010 und garantiert der DFL dafür jährlich Einnahmen in Höhe von mindestens 500 Millionen Euro pro Saison. Das entspricht einer Einnahmesteigerung bei den TV-Rechten um 20 Prozent. Das hört sich gut an, ist jedoch eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Das Paket umfasst für die gesamte Laufzeit damit 3 Milliarden Euro. Die DFL kassiert derzeit 420 Millionen Euro. Rechnet man die Mehreinnahmen auf die 36 Vereine im Profifußball um, hat die DFL damit ihre Seele für ein Butterbrot verkauft. Denn sie wird auf anderem Gebiet Einbußen erleben oder mögliches Wachstum durch eigene Schuld bremsen.



Denn fest steht, dass der freie Empfang von Bundesliga-Spielen künftig nicht mehr zur ?Sportschau?-Zeit möglich sein wird. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert hat entsprechenden Fragen am Dienstag entgegnet, er könne diese Bedenken ?nicht zerstreuen?. Seifert war es auch, der pathetisch verkündete, was der Ausschaltung kritischer Medienberichterstattung gleich kommt: ?Die DFL übernimmt erstmals auch für die Produktion Verantwortung.? Die DFL vergibt nicht nur die Rechte der Ausstrahlung ihrer Spiele, sondern verpflichtet (!) die Käufer der Rechte zur Abnahme eines fertigen Produktes mit Spielberichten und Interviews. Die Praxis wird bald zeigen, dass der Satz ?Eine Zensur findet nicht statt? zwar im Grundgesetz steht, aber nicht für Mediengottvater Kirch und seine raffgierigen Helfershelfer in der DFL gilt. Denn gleichzeitig gründen Kirch und die DFL ein neues Unternehmen, an dem Kirch 51 Prozent, die DFL 49 Prozent hält.

Kein Wunder, dass auch der einzige am Markt tätige Anbieter von Pay-TV, Premiere, sich ausgebootet fühlt. Der Kurs an der Börse sackte denn auch um mehr als acht Prozent weg, als Einzelheiten bekannt wurden. Nach dem Motto ?friss oder stirb? muss Premiere fertige Produkte aus allen Stadien übernehmen, eigene redaktionelle Beiträge werden künftig ausgeschlossen. Premiere kann keine eigenen Moderatoren und Kommentatoren mehr in die Stadien schicken ? hier herrscht eine geschlossene Gesellschaft, deren Gesetze ein greiser Bankrotteur und sein früheres Opfer, der Profifußball in Deutschland, in einer seltsamen Symbiose bestimmen.

Seifert hat gut lachen...

Seifert hat gut lachen...

Keine Antwort gibt es von der DFL bisher auf die Frage, wie denn den Sponsoren der Bundesligavereine ein weiteres Engagement schmackhaft gemacht werden kann. Den Löwenanteil der Einnahmen verbuchen die meisten Vereine mit ihren individuellen Vertrags- partnern aus der Wirtschaft. Die aber sind darauf angewiesen, dass Spiele frei empfangbar zu einer möglichst günstigen Zeit über den Bildschirm laufen und nicht zu nachtschlafender Zeit, wenn die Zielgruppe ausgegangen oder in Morpheus? Armen weggesackt ist.

Die DFL hat damit für eine vergleichsweise niedrige Summe ihre Seele verkauft. Die Interessen der Zuschauer in den Stadien und an den Bildschirmen haben ? wenn überhaupt ? nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Auch die Interessen der Sponsoren, die Trikot- und Bandenwerbung betreiben und auf eine möglichst große Breitenwirkung setzt, sind für zweitrangig erklärt worden. Mit der Rückkehr Leo Kirchs hat die Profiligen die eigene Vergangenheit eingeholt. Sie ist schon einmal vergewaltigt worden und wirft sich ausgerechnet ihrem größten Peiniger wieder in die Arme. Gerade der BVB sollte angesichts eigener leidvoller Erfahrungen solche Geschäfte scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Aber Rauball spielt stattdessen den Steigbügelhalter für Kirch. Die Unwägbarkeiten bleiben, auch wenn Kirch eine Bankbürgschaft über 3 Milliarden Euro vorgewiesen hat.

Kirch wird sein Modell nur dann für sich selbst gewinnbringend umsetzen können, wenn er das frei empfangbare Fernsehen gegen Pay-TV ausspielt ? zu Lasten der Sponsoreneinnahmen und individuellen Vermarktungsmöglichkeiten der einzelnen Klubs. Die DFL unterliegt einem gewaltigen Trugschluss. Sie setzt voll auf Mehreinnahmen durch die Fernsehrechte. Aber dieser Topf ist in Deutschland begrenzt, das hat die Vergangenheit gezeigt. Der Preis, den die Ligen bezahlen, ist zu hoch. Sie werden versuchen, sich TV-Macher ? von Journalisten sollte man hier nicht mehr sprechen ? einzukaufen, die ihre eigene Meinung und Unabhängigkeit grundsätzlich bereit sind aufzugeben. Eine unabhängige und kritische Berichterstattung durch die elektronischen Medien wird es nicht mehr geben. Man darf gespannt sein, wie Kirch das ihm immer schon lästige Thema Radio lösen wird. Denn machen wir uns nichts vor: Auch hier wird die Gleichschaltung längst in den Hinterzimmern des greisen Pleitiers und seiner Ratgeber vorbereitet.

Das Geschäft zwischen Kirch und der DFL nutzt nur Kirch. Geschädigt werden kurzfristig die freie Berichterstattung, das Sponsoring als unmittelbare Einnahmequelle der Vereine, die Zuschauer in den Stadien und zu Hause ? und spätestens mittelfristig die DFL und die angeschlossenen Vereine. Rauball, Seifert und alle Ja-Sager haben sich für Kleingeld und gegen die Interessen ihrer wirklichen Kunden prostituiert.

Zur Erinnerung: Das Sündenregister des Leo Kirch >>

, 11.10.2007

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