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Heute vor 20 Jahren: Die Mauer bröckelt - der Ball rollt

In der Nacht der Deutschen Einheit duellierten sich BVB und CFC im UEFA-Cup

Am 2. Oktober 2010 jährt sich ein ganz besonderes Fußballereignis zum 20. mal: Das letzte innerdeutsche Europapokalspiel zwischen einem Ost- und einem West- Verein fand am 2. Oktober 1990 im Ernst- Thälmann Sportforum in der westsächsischen Metropole Chemnitz statt.

An diesem denkwürdigen Tag standen sich der heimische Chemnitzer FC und der BV Borussia Dortmund 09 im Rückspiel des UEFA-Cups der Saison 1990 / 1991 gegenüber. Denkwürdig war der Tag vor allem deshalb, weil in der Nacht des vom BVB mit 2:0 gewonnen Spiels - nur ein paar Stunden nach dem Schlusspfiff - die Deutsche Einheit vollzogen und gebührend gefeiert wurde.

Die Tore im nahezu ausverkauften Chemnitzer Stadion erzielten Thomas Helmer in der 24. Minute und Michael Rummenigge in der 50. Minute. Im Hinspiel, dass der BVB ebenfalls mit 2:0 gewann, trafen ebenfalls Helmer in der 20. Minute und Torjäger Frank Mill mit dem Schlusspfiff.

Man mag kaum glauben, dass diese Ereignisse, diese einmalig spannende und fast täglich Veränderungen hervorbringende Zeit, schon satte 20 Jahre zurückliegt. Für die Menschen in Deutschland hat die Wende viele Veränderungen zum Guten gebracht. Allen wurde Einiges abverlangt - Solibeitrag ist ein Stichwort - aber die Einheit Deutschlands war ein positives Signal von weltweiter Strahlkraft.

Einige Erinnerungen sind bei den Protagonisten von damals trotz der langen Zwischenzeit haften geblieben. So erinnert sich der damalige Trainer des Chemnitzer FC, Hans Meyer, noch sehr gerne an seine fünfjährige Zeit als Coach der Himmelblauen. Im Gespräch mit der Kirsche stellte sich heraus, dass er das Aufeinandertreffen von CFC und BVB bis heute in guter Erinnerung hat.


?An die Wendezeit?, so Meyer, ?erinnere ich mich vor allem deshalb gerne, weil ich zu der Zeit eine junge, willige Mannschaft in Karl-Marx-Stadt führte, die in der UEFA-Cup-Saison zuvor Großes geleistet hatte?. Über die Gegner FC Sion und Boavista Porto kam der damalige FCK in die dritte Runde, wo man sich mit Juventus Turin messen durfte. ?Hier scheiterte meine herrlich unbeschwert aufspielende Mannschaft nur ganz knapp. Die Sensation lag in der Luft" gerät Meyer noch heute ins Schwärmen.

Das Hinspiel des CFC bei der Dortmunder Borussia ?in diesem herrlichen Stadion? (Westfalenstadion) ist dem erfolgreichsten Trainer der Chemnitzer Vereinsgeschichte noch in guter Erinnerung. ?Wir spielten in dieser Saison um die Qualifizierung für die Bundesliga, daher war meiner Mannschaft die Unbekümmertheit etwas abhanden gekommen. Bei Einigen schwirrten sicher auch Wechselgedanken durch die Köpfe, so dass wir auf internationaler Bühne nicht mehr die Leistungen der Vorsaison abrufen konnten. Trotzdem haben wir uns -gerade in Dortmund - lange Zeit achtbar aus der Affäre gezogen, das Spiel bis in die Schlussminute offen gehalten. Dortmund war klar spielbestimmend, aber wir hielten mit unseren kämpferischen Mitteln gut dagegen. Uns fehlte im Mittelfeld unser Regisseur Rico Steinmann. Um so höher war die erbrachte Leistung dort einzustufen?, lässt Meyer die 90 Minuten des Hinspiels noch einmal lebhaft vor seinen Augen ablaufen.

?Das Rückspiel?, so der heutige Fußballrentner, ?war für mich persönlich und für unsere Zuschauer eine Enttäuschung. Der BVB ging recht früh in Führung, so dass es die erhoffte Aufholjagd nicht geben sollte. Aber trotzdem war ich stolz auf meine Mannschaft, weil sie charakterlich in Ordnung war, als Team auftrat und sich für den CFC einsetzte." "Die Dortmunder waren uns, wenn man beide Spiele betrachtet, überlegen und sind verdient eine Runde weiter gekommen?, zeigt sich Meyer als fairer Sportsmann.

Mit der Nacht der Deutschen Einheit verbindet Hans Meyer keine besonderen Erinnerungen mehr. ?Ich habe die gesamte Entwicklung mehr von außen betrachtet, habe das Ganze sehr rational gesehen. Ich habe mich als Bürger der DDR gefühlt, nun folgte ich der neuen Zeit und wurde zum Bundesbürger. Gefeiert haben wir in dieser Nacht nicht.?

Man spürt während Meyers Ausführungen, dass der Mann den Fußball lebt, dass er wirklich gerne an die Zeit in Karl-Marx-Stadt bzw. Chemnitz zurück denkt. Jüngst, am 14. August diesen Jahres, beim sensationellen DFB-Pokalsieg des CFC gegen St. Pauli, wurde Hans Meyer aufgrund seiner Verdienste um den Club als Ehrenmitglied aufgenommen.

Diese große Geste stößt bei dem erfahrenen Trainer auf viel Gegenliebe: ?Glauben Sie mir, diese fünf Jahre in Chemnitz oder Karl-Marx-Stadt, das waren ganz besonders schöne Jahre für mich. Dazu trug ganz sicher der sportliche Erfolg bei. An diese Mannschaft denke ich immer noch gerne zurück. Und genau so an die einzigartige Herzlichkeit und Offenheit der Menschen in dieser Region. Sie sind etwas Besonderes, deshalb wünsche ich dem Verein und seinen Fans von Herzen, dass der CFC schnellstmöglich in den bezahlten Fußball zurückkehrt. Dort gehört der Verein hin.?

Der damalige Co- Trainer des Chemnitzer FC, Christoph Franke, erinnert sich auch noch an einige Einzelheiten beim sportlichen Vergleich der beiden Teams. Er teilt die Auffassung Meyers, dass der BVB seinerzeit verdient eine Runde weiter gekommen ist. Beeindruckt war Franke zum einen von der hohen Professionalität des Gegners und der einzigartigen Stimmung im Westfalenstadion.

?Wir waren kurze Zeit vor unseren Spielen zur Spielbeobachtung schon einmal dort und das hat uns schon sehr beeindruckt, wie eindringlich die Dortmunder Fans ihr Team in der Bundesliga angetrieben und unterstützt haben. Auch vor und nach dem Spiel war im Umfeld des Stadions eine unbeschreibliche Stimmung. Das war ein tolles Erlebnis? gerät der sympathische Sachse noch heute ins Schwärmen.

Die Nacht der Einheit beging auch Franke eher beschaulich. ?Wir waren doch sehr fokussiert auf das Spiel gegen Dortmund. Anschließend haben wir mit Freunden in einer lockeren Runde vor dem Fernseher den Feierlichkeiten beigewohnt.? Heute lebt der bodenständige Christoph Franke noch immer in der Region Chemnitz und erfreut sich aufrichtig am deutlichen Aufschwung seines Chemnitzer FC.

Thomas Laudeley (CFC), in beiden Spielen über 90 Minuten auf dem Platz, erinnert sich: ?In Dortmund haben wir bis zur Schlussminute alles offen gehalten, dann schossen wir einen Bock und Dortmund das 2:0, das es für uns im Rückspiel deutlich schwerer machte. Dort fiel dann schon recht früh das Gegentor, da war uns allen klar, dass das Spiel gelaufen war, trotzdem war die Stimmung im vollen Stadion richtig gut.?

Haften geblieben ist bei ?Laude? ein Smalltalk während des Spiels: ?Ich unterhielt mich kurz mit Murdo MacLeod, der auf die Deutsche Einheit bezogen sagte ?You will have a big party tonight?. Auch Namen wie Frank Mill, Flemming Povlsen, Michael Schulz und Thomas Helmer sind ihm heute noch als Gegenspieler geläufig, ?wobei wir uns wohl eher an die erinnern, als umgekehrt". ?Für Familien und Freunde?, so der langjährige Mannschaftskapitän der Himmelblauen, ?habe ich mich sehr über die Einheit gefreut, da die Reisefreiheit doch ein großes Bedürfnis für die Menschen in der DDR war. Wir als Fußballer kamen ja durch die Auswahlmannschaften und durch die internationalen Spiele des Clubs von Berufs wegen schon mal ins Ausland. Auch so ging es uns Sportlern in der DDR recht gut, wir waren privilegiert und genossen einige Vorteile, ich denke da zum Beispiel ans Auto oder ganz einfach an den täglichen Einkauf.?

Zur Nacht der Einheit: ?Wir haben ganz familiär im Wohnzimmer mit ein wenig Sekt und Bier gefeiert. Holger Hiemann (damaliger Mitspieler) war unter den Gästen. Eine riesige Euphorie habe ich da nicht verspürt, man hatte ja genug Zeit, sich auf den Moment vorzubereiten.? Laudeley arbeitet heute aktiv im Stadtsportbund Chemnitz und ist seinem Verein als ehrenamtlicher Co-Trainer der B-Jugend bis heute treu geblieben.


Im zweiten Teil unseres Rückblicks auf das Dortmunder Gastspiel in Chemnitz am 2. Oktober 1990 erinnert sich Holger Sitter, Gründer und Herausgeber der Kirsche, an die Reise in den Osten. Außerdem kommt CFC-Fan Jörg Fichtner zu Wort. Wir skizzieren den Werdegang der beiden Traditionsvereine und werfen einen Blick in die Zukunft.


Dieser Artikel erscheint auch auf >> www.cfc-fanpage.de

, 2. Oktober 2010

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