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…und warum dieser Club niemals Meister werden darf

Foto: Guido Kirchner

Foto: Guido Kirchner

Das nicht nur in BVB-Kreisen schier Undenkbare könnte bald Wirklichkeit werden und der FC Schalke 04 im Mai nach 52 Jahren erstmals wieder eine Deutsche Fußball-Meisterschaft feiern. Mal abgesehen von der zunehmend pseudoultrafolkloristischen Ruhrgebietsrivalität zwischen den Profivereinen aus Gelsenkirchen und Dortmund darf der S04 auf keinen Fall Meister werden. Käme die Schale in die Gelsenkirchener Pils-Arena, wäre dies ein handfester Skandal ? sport-, wirtschafts- und gesellschaftspolitisch.

Darin ist man auf Schalke trefflich geübt. Die DFL müsste sich ihrerseits gegen den Vorwurf von Manipulation, Vetternwirtschaft und willkürlicher Anwendung eigener Regeln in der Öffentlichkeit rechtfertigen. Dass sie keine moralische Instanz ist und der DFB unter Theo Zwanziger erst recht nicht, weiß jeder spätestens seit der klebrigen Amerell & Co.-Affäre. Nur Träumer werden etwas anderes erwarten. Selbstreinigungskräfte wird man weder in der einen noch in der anderen Institution ernsthaft suchen wollen. Es reicht zu wissen, dass Schalke-Geschäftsführer und Vorstand Peter Peters in der DFL unter anderem Chef und Kontrolleur derjenigen ist, die Lizenzierungsverfahren durchführen. 

Wenn in einem Fanmagazin mit Nähe zum BVB ein kritischer Artikel über den S04 erscheint, dann ist das nach den Vorgängen um Gerd Niebaum und Michael Meier und ihren von dieser Affäre bis heute belasteten Nachfolgern nicht unproblematisch. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen um sich werfen. Das ist wahr. Wahr ist aber auch, dass es erlaubt sein muss, das Gebaren eines Ligakonkurrenten und Meisterschaftsaspiranten näher zu beleuchten. Darum muss, ehe wieder einmal ein Verein der Deutschen Fußballmeisterschaft die ganze Würdelosigkeit des Profibetriebs und der sie umgebenden Machenschaften aufbürdet, wie dies die Führung des BVB 2002 tat, vorher deutlich gemacht werden, warum ein Verein diesen Titel um nichts in der Welt verdient und ihn nicht bekommen darf.

Im Herbst 2009 galt der FC Schalke 04 allgemein als nahezu zahlungsunfähig. Dem vielfach verschachtelten Unternehmen fehlte die finanzielle Kraft, die Saison zu überstehen. Hätte die DFL funktionierende und objektiv unbeeinflussbare Controlling-Mechanismen, hätte dies bereits Monate vorher bei der Lizenzvergabe bekannt sein müssen. Es hätte aber im Herbst 2009 umgehend untersucht und konsequent bewertet werden müssen. Eine Bestrafung mit Punktabzug, eventuell härteren Sanktionen, wäre zwingend erforderlich gewesen. Arminia Bielefeld büßte im vergleichsweise ähnlichen Fall von Illiquidität am grünen Tisch Punkte ein. Der FC Schalke 04 entging nicht zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte einer Strafe. Für ihn wurden schon eine Liga aufgestockt und viele andere zweifelhafte Entscheidungen in den Funktionärs-Hinterzimmern vereinbart. Der Umgang mit staatsanwaltlichen Ermittlungen ist auf Schalke fast schon normal.

Strippenzieher... (Foto: Guido Kirchner)

Strippenzieher... (Foto: Guido Kirchner)

Aber während an deutschen Fußball-Stammtischen heiß über die Moralität und Berechtigung von privaten Zuwendungen durch Unternehmen wie Bayer in Leverkusen und Volkswagen in Wolfsburg oder Sponsor-Stiftungen von Dietmar Hopp in Hoffenheim diskutiert wird, exerziert das Ruhrgebiet seine Verflechtungen des Sports mit Politik und öffentlichen Geldern vor. Auch das atmet den Geist der in einigen Szenen so viel beschworenen ?Tradition?. Nur dank politischer Tricksereien in der Stadt Gelsenkirchen konnte ein Öffentlich-Rechtliches Unternehmen den FC Schalke 04 vor dem drohenden Untergang retten. Dagegen ist die 50+1-Forderung Martin Kinds in Hannover ein Vorbild an kaufmännischer Ehrlichkeit. Denn auf Schalke steckt die Stadt Gelsenkirchen längst bis zum Anschlag im Vereinsgeflecht. Eine ganze Stadt hat sich vom Wohl und Wehe dieses Vereins abhängig gemacht ? über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg. Die Junkies sitzen im Rathaus, nicht am Schalker Markt.

Keine Stadt im Ruhrgebiet hat der Strukturwandel mit dem Zusammenbruch industrieller Strukturen so hart und nachhaltig getroffen wie Gelsenkirchen. Die Stadt hat kein vorzeigbares Unternehmen als unverwechselbare Marke mehr und jahrelang kein brauchbares Konzept für den Strukturwandel erarbeitet. Dies ging so weit, dass gegen Ende der 1990er-Jahre ausgerechnet der Skandalverein FC Schalke 04 als letzter Identifikationsposten übrig blieb. Die Gewinne von Uefa-Pokal und DFB-Pokal verführten die Koalition der Ratlosen im Rathaus, endgültig auf die ?Marke? Schalke 04 zu setzen. Verantwortungsvolle Politiker hätten das alles besser wissen müssen. Aber Gelsenkirchen verknüpfte sein Schicksal mit dem in Wirklichkeit längst maroden Verein, an dessen Spitze mit Rudi Assauer wieder einmal eine besonders schillernde Persönlichkeit stand und dessen Oberaufseher Tönnies immer wieder einmal damit Schlagzeilen macht, weil man seinem Unternehmen und ihm Verstöße gegen Gesetze vorwirft.

Der Verein schmiedete mit Blick auf die WM 2006 den ehrgeizigen Plan, eine überdachte Arena nach dem Vorbild des wesentlich kleineren Stadions Gelredom in Arnheim zu bauen ? gleich neben dem Parkstadion, das mit Steuergeldern für die WM 1974 errichtet worden und nun vollkommen untauglich für den Bundesligisten war. Die Stadt war entzückt: Zwischen den Autobahnen 42 und 2 ließen sich ein multifunktionales Stadion mit umgebenden Freizeiteinrichtungen planen und auf einem von den Altlasten industriellen Erbes freien Gelände ein Gewerbepark entwickeln. Der national und international endlich einigermaßen sportlich beachtete FC Schalke 04 galt als Zugpferd für die Vermarktung schlechthin.

Damit machte sich die Stadt abhängig vom Wohl und Wehe ihrer Skandalnudel, deren Führung in ruhrgebietstypischer Grotzkotzigkeit den naiven kommunalen Partner im Rücken zunehmend als Überlebensversicherung missbrauchte. Anders als in Dortmund, wo Niebaum und Meier und ihre Helfershelfer vor allem tausende Kleinanleger mit einem Börsengang um Millionenbeträge und bis heute nicht geleistete Dividendenzahlungen prellten, sicherte sich Schalke als letzten Ausweg aus finanziellen Engpässen Hilfen der öffentlichen Hand. Die war, wie immer in solchen Fällen, ahnungs- und kritiklos. Die Fans von Schalke sitzen im Rathaus Gelsenkirchen und sind Junkies, Königsblau verfallen.

Entmachte Institution...

Entmachte Institution...

Schalke wäre nicht Schalke, wenn dem Verein nicht bald das Wasser an der Oberkante Unterlippe gestanden hätte. Die damaligen Geschäftsführer Peter Peters und Rudi Assauer erwarben von der Stadt Gelsenkirchen das brach liegende Parkstadion 2003 für den symbolischen Wert von einem Euro. In der Bilanz des Vereins tauchte es dann mit einem Wert von 15,5 Millionen Euro auf. Die Tribüne wurde darin sogar noch mit 6,6 Millionen Euro bewertet, obwohl sie bereits während Aufstellung der Bilanz abgerissen wurde. Wieder einmal musste die Staatsanwaltschaft ermitteln. Die Geschäftsführer Assauer und Peters wurden später wegen Bilanzfälschung zu Geldstrafen verurteilt. Assauer musste auch deswegen 2006 gehen. Er hatte den internen Machtkampf verloren, es begann der unaufhaltsame Aufstieg von Peter Peters. Seit 2007 sitzt er nun auch an den Schalthebeln der Macht im DFL.

Dass Assauer gehen musste, liegt auf der Hand. Der Geschäftsführer mit dem prolligen Auftreten passte nicht mehr in das Bild einer Symbiose von Verein und Stadt. Der Akquise von Interessenten für den Gewerbepark neben der Arena hätte er nur im Weg gestanden. Er bediente zwar virtuos die Instinkte in königsblauen Stammtisch-Kreisen, schadete aber zunehmend dem um Seriosität bemühten Tandem Stadt Gelsenkirchen und FC Schalke 04.

Der Verein ging weiterhin großzügig mit Geld um, das ihm Sponsoren und andere Geldgeber anvertrauten. Immer wieder taten sich Löcher auf, selbst der bescheidene sportliche Erfolg reichte nicht, die Ausgaben mit den Einnahmen dauerhaft in Einklang zu bringen. Eine Saison ohne internationale Auftritte förderte sofort zutage, wie es strukturell um die Finanzen auf Schalke steht. Im Herbst 2009 drohte Zahlungsunfähigkeit. Die Saison war schon nach einem Viertel ihres Ablaufs nicht mehr durchfinanziert. Die schallende Ohrfeige für das Lizenzierungsverfahren bei der DFL verhallte wirkungslos. Die über beide Ohren verschuldete Stadt Gelsenkirchen, der auch die neue Kommunale Finanzordnung den Marsch ins Haushaltssicherungskonzept nicht ersparte, konnte (und durfte) nicht unmittelbar helfen. Sie musste aber eingreifen, wenn sie ihre Gewerbepark-Pläne retten wollte. Schalkes Untergang hätte das Kapitel endgültig beendet. Die Junkies im Rathaus stellten ihre schönste Tochter ins Schaufenster der öffentlichen Schalke-Prostitution.

Die städtische Gesellschaft für Energie und Wirtschaft mbH (GEW) durfte mit Einwilligung der Gelsenkirchener Stadtpolitik frisches Geld in den Fußballverein pumpen. Die GEW ist eine einhundertprozentige Tochter der Stadt. Ihre Aufgabe ist die Daseinsvorsorge für die Bürger: Energie liefern und mit den Gewinnen die Wirtschaft und Arbeitsplätze fördern. Die GEW und ein Kreditinstitut sicherten mit einer 25-Millionen-Euro-Spritze für weitere Anteile an der Stadion KG vorerst die Liquidität des Klubs. Die GEW erwarb für bis zu 15 Millionen Euro Kommanditanteile und gewährte der Arenagesellschaft ein Darlehen in Höhe von 10,5 Millionen Euro. Das versetzte die Arena KG in die Lage, vom Verein gewährte Darlehen für Baumaßnahmen an der Arena in voller Höhe zurückzuzahlen.

Weitere bilanzielle Folgen, mit denen sich der Schachtelverein Schalke zusätzlich schön rechnete, seien hier ausgeblendet. Ausgeführt hat die Geschäftsführung der GEW den Deal, gebilligt und verantwortlich abgesegnet haben ihn die Aufsichtsräte ? also auch von den Bürgern gewählte Mitglieder des Rates der Stadt Gelsenkirchen. Es ist zu hoffen, dass den Aufsicht führenden Herrschaften die Tragweite ihres Handelns seinerzeit tatsächlich klar war. Denn generell hat der Aufsichtsrat sein Amt mit der gebotenen Sorgfalt auszuüben. Er ist dem Unternehmensinteresse verpflichtet, und es besteht stets eine Gesamtverantwortung aller Aufsichtsratsmitglieder ? mit persönlichem Haftungsdurchgriff auf das Privatvermögen.

Da in Gelsenkirchen mitunter die Uhren anders gehen als in anderen Städten und Gemeinden, lag der Grünen-Abgeordnete Horst Becker mit (Mündliche Anfrage 334) wenig später falsch. Becker wollte wissen, ob die Landesregierung es für akzeptabel halte, dass die GEW gemeinsam mit einer Bank dem Verein Schalke 04 einen Kredit von 25,5 Millionen gewähre, anstatt die entsprechende Summe in den Stadthaushalt zu überweisen. Es sei ein verheerendes Signal, wenn die Stadt auf eine Gewinnabführung verzichte und stattdessen einen Fußballverein unterstütze. Was Becker nicht berücksichtigt hatte: Die Stadt Gelsenkirchen verzichtet schon lange darauf, dass die GEW ihr Gewinne überweist. Begründung: Die GEW könne mit dem Überschuss Wirtschaftsförderung betreiben und defizitäre Einrichtungen wie Hallenbäder stützen. Becker ahnte nicht, dass Gelsenkirchen mit dem GEW-Geld für Schalke eigene wirtschaftspolitische Entwicklungskonzepte zu retten sucht.

Dem Gelsenkirchener Stadtrat erklärte Wirtschaftsdezernent Jochen Hampe im Herbst, das Geschäft mit dem Verein sei eine "kaufmännische und strukturpolitische Beteiligung". Die GEW vergebe keinen Kredit an Schalke und leiste keine verdeckte Subvention: Sie erwerbe lediglich Anteile an der Stadiongesellschaft, die Gewinne erziele und an ihre Teilhaber ausschütte. Hampe gibt gerne den kühl kalkulierenden Wirtschaftsfachmann. Geschäfte zwischen der Stadt und dem Verein gewichtet der glühende Schalke-Anhänger allerdings mitunter auch anders. ?Schalke heißt für mich das Freisetzen positiver emotionaler Energie?, verriet er dem WDR im Mai 2005, kurz nach der kollektiv verheulten Vier-Minuten-Meisterschaft. Die so freigesetzte positive emotionale Energie hat Stadt und Verein auf Gedeih und Verderb miteinander verschweißt. Hampe wirbt unverdrossen für den "Arena-Park Gelsenkirchen" und die geplanten Gewerbegebiete. Das sei eine ?Spitzenlage ? ein Projekt von mehreren hundert Millionen Euro über viele Jahre", schwärmte Hampe gegenüber dem WDR. Die Stadt Gelsenkirchen kann folglich nicht zulassen, dass ihr wichtigster Projektpartner zahlungsunfähig wird.

Oberbürgermeister Frank Baranowski

Oberbürgermeister Frank Baranowski

Das Geschäft zwischen GEW und Schalke 04 bezeichnet Oberbürgermeister Frank Baranowski als "ökonomisch sinnvoll". Die Transaktion koste weder Steuergeld, noch werde der Haushalt belastet. Vordergründig mag dies so sein. Aber Baranowski verschweigt, dass kommunale Unternehmen über einen steuerlichen Querverbund beispielsweise Bäder oder Nahverkehr finanzieren. Dieses bei Steuerrechtlern und Wettbewerbshütern bis hinauf in die EU umstrittene Instrument macht sich die Stadt Gelsenkirchen bei der GEW auch zu nutze. Man rechnet Gewinne gegen Verluste beispielsweise bei den Bädern und zahlt weniger Steuern.

Dass der Verein im Marketing massiv von der nach hiesigen Maßstäben dubiosen Firma Gazprom unterstützt wird, die Erdgas ins Ruhrgebiet liefert, ist das Tüpfelchen auf dem i. Der GEW-Kunde wird gleich mehrfach gemolken und für den Ausfall von Einnahmen des städtischen Haushalts, die über GEW-Gewinnabführungen abgemildert werden könnten, zusätzlich zur Kasse gebeten.

ENDE Teil 1.

, 07.04.2010

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