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Pro und Contra RasenBallsport Leipzig e.V.

In den letzten Wochen ist viel über den Einstieg vom österreichischen Getränkehersteller Red Bull GmbH in den deutschen Fußball gesprochen worden. Seither tobt unter Fußballfans eine von den Medien ziemlich ignorierte Debatte um das Für und Wieder. Dies ist nun der Versuch die jeweiligen Standpunkte gegenüber zu stellen.

PRO:

Seit der politischen Wende 1989 ging es mit dem "Ostfußball" bergab. So zumindest empfinden das die Fans ostdeutscher Fußballmannschaften. Seit Jahren sind zwei graue Mäuse des DDR-Fußballs, Hansa Rostock und Energie Cottbus, das Aushängeschild des ostdeutschen Fußballs. Eine echte flächendeckende Fanbindung gibt es nicht. Es sind Regionalclubs, die man gerade mal halbwegs als Zweitclub hält, weil der eigene Verein gerade in den Niederungen des Amateurdaseins herum dümpelt.

Insbesondere in Leipzig, einstmals eine Fußballhochburg der DDR, kommt man nur ganz schwer damit klar. Der 1. FC Lokomotive Leipzig existiert erst seit Dezember 2003. Sicherlich beruft man sich auf alte DDR-Traditionen, als man die Ehre des Trägerbetriebs Reichsbahn auf dem Platz verteidigte. Auch beruft man sich auf den VfB Leipzig, der immerhin erster deutscher Fußballmeister war, aber de facto nach dem Krieg aufgelöst und zerstört wurde. Daran änderte auch nicht die versuchte Verschleierung der Reichsbahn-Werkself, die sich 1991 einfach in VfB umbenannte und sich als Nachfolger präsentierte.

Seit Jahren dümpelt der Leipziger Fußball vor sich hin. Nur ca. 6000 Zuschauer finden sich regelmäßig bei den Spielen der beiden Leipziger Mannschaften ein. Zusammengerechnet wohlgemerkt, nicht jeder für sich. Beide Vereine spielen in unterene regional strukturierten Ligen. Entsprechend nimmt man sich gegenseitig regionale und lokale Sponsoren, was bei beiden Vereinen dazu führt, dass man mangels finanzieller Möglichkeiten nicht aus der Diaspora der unteren Ligen empor kommt. Der Frust ob der eigenen sportlichen "Bedeutungslosigkeit" entlädt sich regelmäßig in Aussetzern bei Vereinsführungen und Fans. Die Leipziger an sich hegen mittlerweile nur noch beiläufig Interesse an ihren Vereinen. Die Leidenschaft für den Fußball hat man aber behalten.

Red Bull schlägt nun in diese Kerbe. Zwei Vereine, die nur noch von einer Minderheit respektiert wird und überregional nur noch durch Straßenschlachten nach Derbys auffallen. Leipzig und die Umgebung lechzt nach sauberem und höherklassigen Fußball und Red Bull kann es bieten. Red Bull hat das Geld um die Spieler zu bezahlen, die es braucht um Spitzensport zu präsentieren.

Ein Traditionsverein will Red Bull gar nicht werden. Wie Tradition aussieht, sehen die Leipziger jeden Tag und genau das stößt sie ab. Red Bull liefert das genaue Gegenteil des Status Quo. Für das Eintrittsgeld soll dem Zuschauer etwas geboten werden. Dazu gehören eben auch Unterhaltung, Spaß und Spiele. Die Partymeilen zur WM 2006 waren nicht allein ein Erfolg, weil die Mannschaft ganz gut mitspielte. Es war die Atmosphäre, die Millionen Menschen auf die Straße und zusammen brachte. Das wird nun in ein Stadion transportiert.

Für Lokomotive und Sachsen bedeutet Red Bull das Ende. Aber wem werden diese beiden Vereine fehlen? Nostalgiker, die sich an Zeiten erinnern, die schon lange vorbei sind. Leipziger Mannschaften spielen seit gut zwanzig Jahren nicht mehr um Titel. Die ewiggestrige Träumerei von alten großen Zeiten behinderte bisher, dass sich in Leipzig etwas entwickeln konnte. Die Zeiten wo der Staat regulierend die Spieler verteilte und auch für deren Bezahlung sorgte, ist vorbei. Der Leipziger Fußball ist im Kapitalismus angekommen und muss feststellen, dass Erfolg nur zukunftsgewandt und gemeinsam funktioniert. Red Bull hat den Luxus, dass sie schon groß sind und eben keinen mehr brauchen. Sachsen und Lokomotive werden dem Amateurfußball erhalten bleiben. Mehr nicht.

Red Bull macht nichts anderes als die Telekom, Gazprom, Evonik, Citibank und andere. Sie pumpen schlichtweg Geld der Kunden in Fußballmannschaften. Es gibt nur einen Unterschied: Red Bull will nicht zuschauen wie Funktionäre das empfangene Geld einfach nur verbraten. Sie wollen selbst die Entscheidungen treffen.

Red Bull wird Erfolg haben. Die Menschen wollen einen Verein, der ein wenig Ballermann ausstrahlt, aber dazu noch familientaugliche Seriösität liefert. Fußball ist für viele Menschen eben nur eine Nebensache, die sie unterhalten soll. Mehr nicht. All jene Menschen, werden bei Red Bull eine Heimat finden und dort auch glücklich werden. Es ist nicht vermessen zu behaupten, dass RasenBallsport Leipzig eine Marktlücke füllt und genau deswegen das Potential hat eine große treue Fanschar zu kriegen.


CONTRA:

Sicherlich wäre es einfach den Selbstverkauf des SSV Markranstädt an die Red Bull GmbH stumpf als Untergang des althergebrachten Fußballs zu bezeichnen. Interessanterweise findet man in den letzten Jahren in immer mehr Stadien eine Rennaisance der Kapitalismuskritik vor. So ziemlich alles wird reflexartig als "Kommerz" und "moderner Fußball" gebrandmarkt und ist des Teufels. Vielfach ungerechtfertigt, da bei genauerer Betrachtung die Welt nicht so schlecht ist wie sie gemacht wird. Hier ist es anders.

Red Bull hat einen Schritt gemacht, der den deutschen Fußball nachhaltig negativ beeinflussen wird. Fußball ist nicht einfach nur ein Markt oder ein Zeitvertreib. Der Fußball ist Teil der Kultur dieses Volkes. Im Fußball spiegelt sich unsere Gesellschaft wieder. Ihre Werte und ihre Traditionen sind Teil des Sportes. Dass die Ligeneinteilungen so sind wie sie sind, entspricht einem gesellschaftlichen Konsenz. Ebenso die Strukturierung der Vereine. Deutschland ist ein Land der Vereine. Was das gesellschaftliche Leben angeht, so hat der Deutsche das Bedürfnis nach Struktur und einem Hauch von Basisdemokratie. Nicht umsonst werden wir gerne als Vereinsmeier hingestellt.

Auch ist der deutsche Fußball eine Art Ersatzhandlung für die traditionellen jahrhundertlangen Fehden zwischen Regionen, Stämmen und Dörfern geworden. Es treten nicht einfach nur zwei Mannschaften gegeneinander an. Es sind die Vertreter ihrer Stadt, ihrer Region.

Wenn sich das System von Red Bull durchsetzt, ist es vorbei mit dem Fußball deutscher Prägung. Nicht mehr Vereine und ihre Mitglieder bestimmen über des Deutschen liebste Freizeitbeschäftigung. Irgendwelche Firmen nutzen dann den Sport einfach nur als Marketingplattform.

Es werden nicht mehr Städte, Dörfer, Regionen und somit die Menschen selbst sein, die gegeneinander antreten. Es sind Firmen. Seelenlose Konstrukte. Daran ändert auch nichts, dass Red Bull in Leipzig antritt. Red Bull vertritt nicht Leipzig sondern Red Bull. Es wird diesen neuen Fußballfirmen egal sein wo sie spielen. Was passiert denn, wenn Red Bull so groß geworden ist, dass das Stadion zu klein wird? Red Bull sucht sich einen neuen Standort. So und nicht anders läuft es in einer Marktwirtschaft.

Red Bull will Gewinn machen. Der Werbeeffekt für die eigene Brause aus Ochsengalle ist nur eine Seite der Medaille. Als Teil des Konzerns unterliegt man ganz klar unternehmerischen Grundsätzen. Rendite muss erzielt werden. Einen reinen Kostenfaktor kann der Gesamtkonzern nicht dauerhaft tragen und würde das Fußballunternehmen irgendwann beenden. Andererseits wird man gezwungen sein evtl. Andere defizitäre Teile des Konzerns mit dem eigenen Ergebnis wieder aufzufangen.

Hier unterscheidet sich eine solche Fußballfirma von den alten Fußballvereinen. Natürlich wollen auch die traditionellen Vereine Gewinne machen. Allerdings aus einer sportlichen Erwägung heraus. Gewinne bedeuten, dass man in Stadion, Mannschaft, Nachwuchs, Infrastruktur, also wieder in den Sport investieren kann. So kann man noch größer und noch erfolgreicher werden. Ein Verein, der einfach nur Rendite für die Vereinsmitglieder erzielen will, hat nicht lange Erfolg. Stagnation und Niedergang ist im Sport die Folge. Eben hier unterscheidet sich der Sport von Wirtschaft, wenn auch zugegebenermaßen nicht so deutlich wie es in dieser bewusst vereinfachten Form dargestellt ist.

Red Bull Leipzig wächst nicht aufgrund von sportlichen Leistungen, die Gewinne rechtfertigen und somit weitere größere Erfolge ermöglichen können. Sie wachsen, weil es einen Geldhahn gibt, der auf und zu gedreht werden kann. Völlig losgekoppelt vom Erfolg. Das geht so lange gut, bis der Punkt erreicht ist wo der Geldhahn des Gesamtkonzerns eben nicht mehr genug Füllung hat und man selbst die Rendite für andere mit erwirtschaften muss.

RasenBallsport Leipzig wird Schaden für den Leipziger Fußball verursachen. Die Auswirkungen wird man jetzt noch nicht erkennen. Die ersten Opfer sind die beiden zuschauer- und geschichtsträchtigsten Vereine. Man kann zu Sachsen Leipzig und Lok stehen wie man will. Man darf aber eben nicht vergessen, dass dies würdige Vertreter der deutschen Fußballkultur sind. Es besteht ein Fanproblem, aber das kann eine Gesellschaft auch in den Griff kriegen, wenn sie es denn will. In Leipzig hat man das jedoch aufgegeben und somit den Weg für Red Bull geradezu asphaltiert. Die Reflexhandlungen der Leipziger Fanszenen sind lediglich der Rote Teppich. Man bestätigt gerade dumme und falsche Klischees, die in der Gesellschaft gegenüber Anhängern traditioneller Fußballvereine vorherrschen und treibt die Menschen, die genau so etwas nicht wollen, RB Leipzig noch in die Arme.

Der DFB muss hier ganz klar Kante ziehen. Konnte man bei Bayer Leverkusen noch anführen, dass hier eine Tradition aus dem Betriebssport heraus gegeben ist, die eine Ausnahme rechtfertigt, konnte man beim VfL Wolfsburg noch darauf verweisen, dass die ganze Stadt eine Retorte für das Volkswagenwerk ist und somit auch sämtliches kulturelles und sportliches Leben dort von VW abhängt, so ist bei Red Bull eine andere neue Situation entstanden. Hier sollen nicht mehr Vereine und ihre Mitglieder über die teilweise ausgegliederten Fußballfirmen bestimmen. Hier geht es einzig um einen Konzern und genau das will die 50+1-Regel nicht.

Der NOFV hat entschieden RasenBallsport Leipzig für die fünfte Liga zuzulassen. Hier hat der DFB keinen Einfluss, da die Landesverbände in diesem Punkt autark sind. Spätestens wenn RB Leipzig aber an die Tür zur Regionalliga klopft, muss der DFB sich entscheiden ob er diese Umgehung der 50+1-Regel zulässt und damit die Schleusen für Nachahmer öffnet oder ob ihm die bisherige Fußballkultur wichtiger ist.

 , 22.07.2009

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