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Europa-Kaukasus-Pokal olé

Es war Mai - ein wenig Frühling, ein wenig Frühsommer und im beschaulichen Freiburg zelebrierte unserer BVB auf einer launigen Saisonabschlussfahrt die erfolgreiche Qualifikation zur Europa-League. Dortmund feierte und im BVB Merchandising hatte man Anlassgerecht auch gleich das richtige Europapokal-Shirt in der Auslage liegen. Ein schwarzes T-Shirt samt Emblem und Schriftzug, dazu die Landkarte Europas. Fertig war der Kassenschlager. Wie so eine Europa-Karte aussieht, lernt man ja - zumindest im östlichen Ruhrgebiet - schon in der Grundschule.

Aber diejenigen, die nach der Auslosung der ersten Pokalrunde ihr T-Shirt kurzer Hand als Atlas missbrauchten, dürften enttäuscht gewesen sein - denn so viel wissen wir heute: Die Landkarte der UEFA ist bei Weitem nicht deckungsgleich mit der aus dem Geografie-Unterricht. Und überhaupt: wer konnte im Mai schon erahnen, dass der Gegner am kommenden Donnerstag aus dem knapp 4.700 Kilometer(!) weitem Baku am Kaspischen Meer kommen würde?

FK Qarabag Agdam. Wer hier spontan an Tom Hanks in "Terminal" denkt, liegt gar nicht mal so falsch. Agdam gehört zur Karabach-Region im Südosten des Kleinen Kaukasus ? eine zwischen Armenien und Aserbaidschan höchst umstrittene Region. Der seit 1988 anhaltende Konflikt nahm genau hier seinen Ursprung. Zur Hafenstadt Baku, wohin der Verein 1993 kurzerhand auswanderte, ist es weiter, als zur iranischen Grenze. Selbst Bagdad oder Novgorod liegen westlicher. Europapokal im 21. Jahrhundert - und wir sind dabei.

Ich möchte meinem Kollegen, der den Vorbericht zum Auswärtsspiel in einer Woche in der Hauptstadt Baku schreibt, hier und heute nicht allzu viele Geschichten von der aufstrebenden Öl-Region am Kaspischen Meer vorwegnehmen. Nur eins: Exotischer kann eine Auswärtsfahrt kaum noch werden ? einen weiteren Weg hatte der BVB in seiner 100-jährigen Geschichte nur ein einziges Mal zurückzulegen. 1997 zum Weltpokalfinale nach Tokio.

Für unseren Gast aus Baku ist die Reise nach Westeuropa zwar alles andere als alltäglich, inzwischen aber längst nicht mehr einzigartig. Bereits in den vergangenen Qualifikationsrunden ging es ins polnische Krakau und ins nordirische Portadown. Vergangenen Jahres schlug man sowohl den finnischen Vertreter aus Honka, als auch das uns bestens bekannte Rosenborg Trondheim, ehe man dann an Twente Enschede aus den Niederlanden scheiterte.

Sportlich scheint der BVB also gewarnt. Der Drittplatzierte der vergangenen Saison landet morgen nicht zur Stadtbesichtigung in Dortmund, sondern sieht die historische Chance als erste Mannschaft aus der Region die Qualifikation zur Gruppenphase erfolgreich zu meistern. Damit dies gelingt sind Coach Gurban Gurbanov sämtliche suspeckten und verrückten Mittel Recht.

Damit seine junge und talentierte Mannschaft beim Einlauf ins Westfalenstadion nicht gleich vor Ehrfurcht erstarrt (nur zwei der acht Ligastadien in Aserbaidschan haben mehr als 5.000 Zuschauerplätze/Die Red.) hat sich Gurbanov Originalmitschnitte der Südtribüne besorgt und beschallt seine Spieler damit das gesamte Training über beschallt: "Das Westfalenstadion ist meistens brechend voll. Lasse ich die Mitschnitte über unsere Stadionlautsprecher einspielen, wissen meine Spieler, was sie am Spieltag erwartet", erklärt der Trainer seine wohl einzigartige Trainingsmethode. Die Sprache indes ist deutlich. Agdam bereitet sich zum einen mehr als professionell auf das Hinspiel am Donnerstag Abend vor, reist zum anderen aber auch mit jeder Menge Respekt vor unserer Borussia hier an.

Dass die Rückkehr auf Europa Fußballbühne für das junge Team von Jürgen Klopp kein Selbstläufer wird, ist aber auch dem Dortmunder Fußballtrainer klar. "Diese Jungs können richtig Fußball spielen", weiß Klopp gute 48-Stunden vor dem Match über den Gegner zu verkünden, der immerhin das Groß der Nationalmannschaft Aserbaidschans stellt und vorwiegend talentierte Spieler mit Stallgeruch aus der eigenen Region unter Vertrag hat, zu berichten.

Dass der Dortmunder Trainer auf dieselbe Mannschaft vertraut, die Burghausen am vergangenen Samstag 3:0 schlug, gilt als wahrscheinlich. Einzig der Einsatz von Kevin Großkreutz im linken, offensiven Mittelfeld ist noch ein wenig fraglich. Doch ob mit oder ohne Großkreutz: für den BVB darf die Zielsetzung nur die möglichst frühzeitige Weichenstellung gen Gruppenphase beinhalten! Erst ab da wird es für den BVB erst wirtschaftlich attraktiv und für den Großteil der Fans geografisch wieder machbar, die tollen Fan-Erlebnisse aus Udine 2008 zu wiederholen.

Der Gast aus dem fernen Südkaukasus darf sich am Donnerstag auf rund 55.000 - 60.000 Zuschauer freuen, oder wie Jürgen Klopp süffisant anmerkte: "Wir spielen Europa League. Das Licht ist an, das Stadion offen, also haben gefälligst auch alle da zu sein". Recht hat er ? dass ein solcher Gegner wohl für immer einmalig ist, dürfte auch der Letzte inzwischen mitbekommen haben. Europa-Kaukasus-Pokal ole.


- 18.08.2010

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